Partyreihe „Generation Rave“„Uns geht es um verantwortungsbewusstes Raven“

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Rave-Party für Minderjährige: Eine Gruppe Mädchen tanzt zum Sound von DJ „spanierohneauto“.
Rave-Party für Minderjährige: Eine Gruppe Mädchen tanzt zum Sound von DJ „spanierohneauto“. (Foto: Robert Haas)

Ein Musikkollektiv veranstaltet zum Weltkindertag einen legalen Techno-Rave für Jugendliche. Bis zu 400 Partygäste kommen zum Fröttmaninger Berg und feiern in die Abendstunden hinein.

Von Sophia Coper

Die magische Grenze ist das Jahr 2004. „Wer davor geboren ist, den darf ich nicht reinlassen“, murmelt der Türsteher vor Schichtbeginn. Kurz vor 18 Uhr brummt der Bass bereits über das Gelände am Fröttmaninger Berg; hinter der Bühne erhebt sich der bewaldete Hang. Vor dem Eingang hüpft eine Mädchengruppe aufgekratzt herum. Feiern, tanzen, Leute kennenlernen – die 15-jährige Annika kann es kaum erwarten. Normalerweise sei sie für Partys zu jung, erzählt sie: „Aber hallo? Ich habe da doch auch Bock drauf!“

Zumindest an diesem Freitagabend geht der Wunsch der Schülerin in Erfüllung. Anlässlich des internationalen Weltkindertages hat das Musikkollektiv Ravestreamradio zu einem Freiluft-Rave am Fröttmaninger Berg eingeladen. Das Angebot richtet sich an Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren. Gefördert vom Stadtjugendamt München gilt die Partyreihe „Generation Rave“ als eine der wenigen bayernweiten Möglichkeiten für Minderjährige, in einem legalen Rahmen zu Techno feiern zu gehen. Platz war für bis zu 1200 Personen; dem Veranstalter zufolge kamen zwischen 300 und 400 Gäste.

Kurz nach 18 Uhr herrscht auf der grünen Wiese noch gähnende Leere. Langsam tröpfeln die Besucherinnen und Besucher in das Kassenzelt. Volljährige erhalten ein Bändchen, wer jünger ist, muss sich mit einem Stempel begnügen. Bestimmte Farben weisen darauf hin, wer Alkohol trinken darf und wer nicht. Annika hat soeben die fünf Euro Eintritt gezahlt. „Ich bin bereit, Leute“, ruft sie und deutet stolz auf ihre Hand. „Los geht’s!“

Auf den Tischen an der Kasse liegen neben Stempelkissen auch Papierstapel. Auf den Blättern: ein eigens konzipierter „Youngster Pass“. Jede Person über 20 Jahre benötigt eine jüngere Begleitung, die verspricht, die Verantwortung für sie zu übernehmen, Klagen über Rückenschmerzen oder das Schwelgen in guten alten Zeiten sind verboten. Anders als beim Muttizettel, gehe es um keine Aufsichtspersonen, sondern darum, Freundesgruppen nicht auseinander zu reißen, sagt Richard Meinl: „Wir richten uns schließlich explizit an junge Leute.“ Als Teil der Münchner Technoszene weiß der Veranstalter, wie wenig Angebote es für Minderjährige gibt; selbst bei nicht angemeldeten Raves seien unter 18-Jährige nicht gern gesehen. „Das ist fast schon Age-Shaming“, sagt er, obgleich er die Beweggründe gut verstehen könne.

Aufgrund der Covid-19-Pandemie habe die jüngere Generation ihre Grenzen nicht natürlich austesten können, unkontrolliertes und übermäßiges Konsumverhalten sei keine Seltenheit. Um Jugendlichen einen sicheren Feierrahmen zu bieten, kam Meinl auf die Idee, legale Raves zu veranstalten. Unter dem Titel „Generation Rave“ hat sein Kollektiv bereits mehr als 20 Partys organisiert, so groß wie am Fröttmaninger Berg war es jedoch noch nie. Aus Jugendschutzgründen geht es nur bis 23 Uhr. Danach wird das Gelände für eine halbe Stunde geschlossen, um sicherzugehen, dass das junge Publikum sich nicht heimlich bei der direkt anschließenden Veranstaltung „Masked Madness“ einschleicht. An der Tür warte ein Team von Condrobs – eine gemeinnützige Suchtberatung, sagt Meinl. Es gebe auch städtische Taxigutscheine, um sicher nach Hause zu gelangen „Uns geht es um verantwortungsbewusstes Raven“, so Meinl.

Sonja Zacher vom "Awareness Medical Team" ist an ihrem rosa T-Shirt zu erkennen.
Sonja Zacher vom "Awareness Medical Team" ist an ihrem rosa T-Shirt zu erkennen. (Foto: Robert Haas)

Für eine geschützte Atmosphäre sorgt auch das „Awareness Medical Team“. Im Getümmel blitzen immer wieder rosa T-Shirts hervor, unter dem Pulli von Sonja Zacherl versteckt sich ebenfalls eins. Die 21-Jährige ist Vorstandsbeisitzende des gemeinnützigen Vereins. Zu zehnt schwärmen sie und ihre Kollegen an diesem Abend über das Gelände. „Wir schauen, dass es allen gut geht“, erklärt Zacherl, die Gäste könnten sich immer an sie wenden, egal ob jemand zu viel getrunken oder das Gefühl habe, belästigt zu werden. Heute werde es wahrscheinlich hauptsächlich darum gehen, die Anwesenden daran zu erinnern, sich etwas überzuziehen. Mit der untergehenden Sonne werde es zunehmend kühler.

In der Tat sitzen um 19 Uhr einige Jugendliche frierend unter einer Decke in einer Sitzecke. Die Wände sind mit psychedelischen Decken ausgeschlagen, Annika und ihre Freundinnen fläzen sich auf Sitzkissen auf dem Boden herum. Vor der Bühne hat sich mittlerweile eine kleine Menschenansammlung gebildet. Manche stehen schüchtern herum, andere hingegen reißen selbstbewusst ihre Arme gen Himmel. „Seid ihr hyped?“, rufen die DJs „iamdavyboi“ und „spanierohneauto“ vom Pult runter, die Menge jubelt. Die Mädchengruppe springt von den Kissen und rennt zur Tanzfläche.

Mit der einbrechenden Dunkelheit beginnen die Lichter ihre Wirkung zu entfalten. Rote Scheinwerferkegel wandern durch die Tanzenden, an den Zelten glimmen Lämpchen auf. Auffällig ist, dass bis auf kleine Verschnaufpausen wirklich alle Anwesenden tanzen, fröhlich wirbeln die Jugendlichen auf der Wiese herum. Annika und ihre Freundinnen sind begeistert. „Es ist so toll!“, sagt die 15-Jährige atemlos: „Wir haben schon tonnenweise Menschen kennengelernt!“ Klar, dürfte es etwas voller sein, aber dafür könnten sie sich freier bewegen.

Zurück in die Stadt führt der Weg an der Allianz-Arena vorbei bis zur U-Bahnstation Fröttmaning. Vor dem Stadion sitzen vereinzelt kleine Gruppen und stoßen mit den ersten Getränken auf den Abend an. Sie warten auf die anschließende Veranstaltung. Bis dahin müssen sie draußen bleiben.

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