Am 31. Dezember geht nicht nur das Jahr 2025 zu Ende, sondern auch ein halbes Jahrhundert Familientradition in der Münchner Gastronomie: Dann schließt nämlich der Ratskeller. Die Gaststätte wird seit 1975 von der Wirtsfamilie Wieser und ihren Nachkommen geleitet. „Ich möchte auch gern einmal in den Ruhestand gehen“, erklärt Peter Wieser, der Anfang kommenden Jahres 70 wird. Vorher will er sich gebührend verabschieden von Kundschaft und Mitarbeitenden: „Ich will an Silvester mit meinen Gästen und meinem Personal noch eine tolle Party feiern.“
Hauptgrund für die Schließung der Gaststätte, über die zuerst die tz berichtete, sind notwendige Renovierungsmaßnahmen in der Küche, in den Schankbereichen sowie weiteren Räumlichkeiten. Weil 2032 aber ohnehin mit der Generalsanierung des Neuen Rathauses samt des darunter liegenden Ratskellers begonnen werden soll, lohnen sich die auf 1,5 Millionen Euro geschätzten Umbauarbeiten nicht mehr, so Wieser. „Wir hätten noch sechs Jahre weitermachen können“, sagt er, „aber die Landeshauptstadt hat uns freundlicherweise die Option zur Verfügung gestellt, zum 31. Dezember auszusteigen.“


Wie es danach mit dem Ratskeller weitergeht, ist derzeit völlig offen. Dass ein anderer Wirt den Betrieb übernimmt, hält Wieser für nahezu ausgeschlossen: „Das müsste europaweit ausgeschrieben werden, und für sechs Jahre tut sich das niemand an.“ Ob es bis zur Generalsanierung eine andere Art der Zwischennutzung gibt, ist ungewiss. Aus dem Kommunalreferat, das für die Liegenschaften der Landeshauptstadt zuständig ist, heißt es: „Das Sanierungskonzept befindet sich derzeit in der Erstellung und wird mittelfristig dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt.“ Davon hängt auch ab, wie der Ratskeller künftig genutzt wird.
Im Rathaus ebenso wie im Ratskeller seien aber in jedem Fall bauliche Eingriffe nötig, der Schwerpunkt liege dabei auf der Ertüchtigung der veralteten Gebäudetechnik. Um die neue Technik unterzubringen, müssten auch die bisherigen Räumlichkeiten des verwinkelten Ratskellers verkleinert werden, so ein Sprecher des Kommunalreferats.
Der erste Teil des Neuen Rathauses an der Nordseite des Marienplatzes war 1874 fertig, ist also bereits 150 Jahre alt. Zu der Zeit eröffnete das Wirte-Ehepaar Ernst und Franziska Steidl auch den Ratskeller. Als rund drei Jahrzehnte später der dritte und letzte Bauabschnitt des im neugotischen Stil errichteten Gebäudes vollendet war, hatte die Gaststätte eine doppelt so große Fläche wie am Anfang, knapp 2000 Quadratmeter. Einst als Weinkeller gedacht, lagerten zeitweise bis zu 200 000 Flaschen in den Gewölben.
Zuletzt generalsaniert wurde die Gaststätte von September 1972 an, nach den Olympischen Spielen. Die Kosten teilten sich damals die Stadt und die neuen Pächter. Die Wirtsleute Christian und Maria Wieser übernahmen den Betrieb, die Wiedereröffnung war im Juni 1975, also vor fast genau einem halben Jahrhundert. 1986 holte Wieser seinen Sohn Peter und den Schwiegersohn Toni Winklhofer als Mitgesellschafter in die GmbH. Inzwischen ist dort Winklhofers Sohn Thomas an die Seite von Peter Wieser nachgerückt. Die beiden betreiben während des Oktoberfestes auf der Oidn Wiesn auch das „Festzelt Tradition“, das größte auf dem Nebenschauplatz des weltbekannten Volksfestes.
In den nächsten Wochen und Monaten müssen die Wirte Wieser und Winklhofer erst einmal mit der Stadt besprechen, was nach der Schließung noch in den Räumlichkeiten bleiben darf und was raus muss. „Alles, was mit Wand und Boden verbunden ist, gehört der Stadt“, erklärt Peter Wieser, „das Mobiliar dagegen zum größten Teil mir.“ Wohin damit – das weiß er noch nicht. Im Januar einen Flohmarkt veranstalten, damit sich Stammgäste Erinnerungsstücke sichern können, ist eine Überlegung; Gegenstände weggeben an Unternehmen für Gebraucht-Gastro ist eine andere Option.
Schon vor dem Ausverkauf des Mobiliars wird sich der Ratskeller von Mitarbeitern trennen müssen, auch wenn Peter Wieser niemanden entlassen will. Er rechnet damit, dass sie nach und nach gehen werden, wenn sie einen anderen Arbeitsplatz finden. Denjenigen, die ihm bis zum 31. Dezember treu blieben, stellt er noch etwas mehr als eine tolle Silvesterparty in Aussicht, wie er sagt: „Ihnen versüße ich den Verbleib mit zusätzlichen Boni.“