„Das ist offenbar gerade so eine Modeerscheinung bei jungen Leuten – und brutal gefährlich“, schimpft die Staatsanwältin. Und Carlos D. (Name geändert) sagt, die anderen im Auto hätten ihn angefeuert, „wir wollten halt Spaß haben“. Der Spaß sah so aus, dass der damals 18-Jährige vergangenes Jahr am Dreikönigstag mit bis zu 170 Kilometern pro Stunde in und um München mit einem Mietwagen durch die Gegend heizte, Burn-outs auf den Asphalt legte, dass die Reifen qualmten – und sich am Ende alle Insassen übergeben mussten. Wegen verbotenem Kfz-Rennen steht er nun vor Gericht, aber das mit dem Rennen erweist sich als juristische Fehlschaltung.
Noch in der Tatnacht hatte Carlos D. gegenüber den Polizeibeamten behauptet, er sei nicht am Steuer des Audi A4 Avant gesessen. Doch jetzt, im Sitzungssaal A 135, gibt er unumwunden zu: „Ich bin gefahren.“ Der Kfz-Mechatroniker-Azubi sitzt sichtlich beeindruckt vor der Jugendrichterin, in Anzug und weißem Hemd, und erzählt von jener verhängnisvollen Nacht.
Über den Account eines Freundes hatten sie bei Miles ein Auto gemietet, berichtet er. Er sei mit seinem Wagen bis zum Standort des Mietautos gefahren und umgestiegen. Die Freunde hätten ihn angefeuert, einen sogenannten Burn-out zu machen und im Stand aufs Gaspedal zu drücken. „Ich wollte nicht mit der höchstmöglich, höchstmöglichere …“, er ringt mit dem richtigen Superlativ und fügt dann einfach „Geschwindigkeit fahren“ an. Denn zum Schnellfahren, das glaubt er, „dafür gibt’s die Autobahn, da ist es meist unbegrenzt“.
Fast drei Stunden lang raste das Trio durch die Gegend. Über die im Auto verbaute Technik konnte die Staatsanwaltschaft genau nachvollziehen, wann das Auto wo und wie schnell unterwegs war. Auf einer Strecke von 63 Kilometern nachts zwischen 0.58 und 3.40 Uhr rasten sie etwa mit 137 Kilometern pro Stunde bei erlaubtem Tempo 50 über die Ingolstädter Landstraße oder über selbige in Oberschleißheim mit 175 Kilometern pro Stunde anstelle der erlaubten 100.
Am Ende kehrte Carlos D. an den Ausgangspunkt zurück, der in der Garchinger Lichtenbergstraße am Forschungszentrum lag. Eine Angestellte des Sicherheitsdienstes bemerkte den Wagen, weil der 18-Jährige vor dem Wachgebäude erneut die Handbremse anzog, das Gaspedal durchdrückte und die Reifen durchdrehen ließ, bis weißer Rauch aufstieg. Sie informierte die Polizei, währenddessen drei junge Männer aus dem Auto stiegen und mit einem anderen Wagen davonfuhren – dem von Carlos’ Vater, wie sich später herausstellte.
„Es stank nach geschmolzenem Gummi“, erzählt ein Polizist vor Gericht, Reifenteilchen seien noch an den Radkappen geklebt und auch die Straße sei beschädigt gewesen. Tatsächlich stellte die Firma Miles dem Angeklagten rund 670 Euro in Rechnung für zwei kaputte Reifen. „Die Rechnung hat er auch selbst bezahlt“, versichert sein Rechtsanwalt Heinz Zier, und er habe seinem Mandanten auch „den Kopf gewaschen“.
Amtlicherseits erfolgte die „Kopfwäsche“ dergestalt, dass Carlos D. seinen Führerschein im Dezember 2024 bis dato abgeben musste. Rein juristisch betrachtet allerdings tut sich das Gericht schwer: Denn es lägen nur einzelne Tempoüberschreitungen vor, das sei nicht als verbotenes Kfz-Rennen zu werten. Die Staatsanwältin verweist auf die Sachbeschädigung und das rücksichtslose Verhalten des Fahrers: „Was wäre gewesen, wenn an einer Kreuzung ein anderes Auto gekommen wäre? Ich finde dieses Verhalten brutal rücksichtslos!“, wettert sie. Der Vertreter des Jugendamts schlägt eine Verkehrserziehung vor, das Verfahren wird gegen Auflage eingestellt.