Süddeutsche Zeitung

Thessaloniki:Liebe auf den zweiten Blick

Romantisches Ambiente bietet das Thessaloniki nicht - dafür aber grundehrliche bis feine griechische Küche.

Von Karl-Heinz Peffekoven

Was griechische Lokale in München betrifft, ist Peffekoven nie ganz frei von einem Gefühl irgendwo zwischen Wehmut und Nostalgie. Als er vor inzwischen doch beunruhigend vielen Jahren in der Stadt zur Ausbildung weilte, da war sein liebster Aufenthaltsort ein Grieche in der Dreimühlenstraße, vom ganz alten Schlag, keiner Verfeinerung verdächtig, solide. Und vor allem: die Atmosphäre, im Hof bunte Lampen unter dem schützenden Dach einer Kastanie, die Fassaden der schönen alten Häuser und die gute Laune der Belegschaft. Als Peffekoven Jahre später zurückkehrte, führte ihn beinahe sein erster Weg wieder zum Lieblingslokal, doch fand sich keine Spur mehr davon. Ein paar gesichtslose Neubauten hatten seinen Platz eingenommen.

Insofern kann Peffekoven seine Begegnung mit dem "Thessaloniki" in der St.-Cajetan-Straße nur als Liebe auf den zweiten Blick beschreiben, was ja nicht gegen die Liebe sprechen muss. Äußerlich ist es weit vom alten, im Lauf der Jahre wohl verklärten Idealbild entfernt. Das griechische Restaurant ist nicht ganz leicht zu finden: Nach der Eisenbahnunterführung in der Balanstraße liegt es unten im Betongewirr einer älteren Hochhaussiedlung, deren Erbauer Misanthropen oder Halbblinde gewesen sein müssen. Doch was für eine Überraschung, als es Peffekoven und Entourage eines schönen Spätsommerabends hierhin verschlug, und sich all die Annehmlichkeiten einer grundehrlichen Taverne fanden, auf erfreuliche Weise ergänzt um etwas höhere Ansprüche.

Um mit dem Äußeren zu beginnen: Draußen sitzt man immerhin im Grünen, von Autos ungestört und vom aufmerksamen, sehr netten Service gut umsorgt (und nicht zu eng beieinander). Drinnen bietet sich dem verblüfften Besucher eine Art bajuwarisch-mediterraner Zirbelstube, man ist hier offenkundig großherzig in stilistischen Fragen. Und das macht auch nichts, da sich umgehend jene Behaglichkeit einstellt, die ein gutes (ehrliches) griechisches Lokal von nicht so ehrlichen unterscheidet.

Selbstredend sind all die Klassiker und Standards auf der Speisekarte vertreten, Gyros, Souvlaki, Bisteki (beide 11,90 Euro), diverse Grillplatten für den wirklich Hungrigen (12,90 bis 16,90 Euro). Alles schmeckte frisch, gut gewürzt, saftig. Wie alle jungen Menschen begierig, vom Wissen der Älteren zu profitieren, fragte ein Begleiter: Das Gyros sei sehr lecker, aber wie man den Unterschied in der Qualität herausschmecken könne? Nach kurzer Debatte entschied die Runde: gar nicht. Was, wie hier, ein wirklich gutes Gyros (Souvlaki, Bifteki ...) ist, erkennt man dann, wenn man irgendwo mal ein nicht so gutes bekommt. Aber das Thessaloniki ist glücklicherweise nicht dieses Irgendwo.

Bei den griechischen Menüs sind es die Vorspeisen, die alles so bunt und reichhaltig machen und ja, auch gesund. Nicht einmal Ernährungspapst Bas Kast hätte was gegen das Mahl der Peffekovenschen Runde einzuwenden, im Gegenteil. So eine gegrillte Dorade, mit Zitronensaft begossen (siehe unten), davor eine schöne Portion Hülsenfrüchte, zum Beispiel der Salat aus bissfesten Linsen oder die pürierten, mit Zitronensaft gewürzten Kichererbsen (Achtung: Suchtfaktor), das Auberginenpüree, nach dessen Genuss man auf gar keinen Fall jemanden küssen sollte und natürlich Oliven und Salat fänden mit Sicherheit seine Zustimmung. Insofern darf man sich nach einem Besuch im Thessaloniki nicht nur warmherzig begrüßt und entspannt bekocht fühlen, sondern auch noch wohl in seiner Haut.

Bei besagten Vorspeisen gefiel auch das nicht ganz Alltägliche, zum Beispiel das feine kretische Dakos: weicher Zwieback mit Feta und Oliven bestreut, dazu Tomaten (10,90 Euro). Sehr gut, mit Zitrone und Pfeffer genau richtig gewürzt, war auch der gegrillte Oktopus (als Vorspeise für 10,90 Euro). Auch das feste, nicht zu weiche Moussaka mit einer schönen Bechamelsauce gefiel, aber davon wird Bas Kast besser nichts erzählt.

So testet die SZ bei der Kostprobe

Die Kostprobe gibt es als Format für Restaurantkritiken seit 1975 in der Süddeutschen Zeitung. Die Autorinnen und Autoren haben sich ehernen Regeln verpflichtet: Sie testen ein Restaurant frühestens 100 Tage nach Eröffnung (damit sich das Küchenteam bis dahin einspielen kann), essen dort mehrmals (denn jeder Koch und jede Köchin kann mal einen schlechten Tag haben), geben sich nicht als Tester zu erkennen und schreiben unter Pseudonym (um unerkannt und unabhängig bleiben zu können). Und die Rechnung? Die bezahlt natürlich die SZ selbst.

Unbedingt einen Blick wert ist die wechselnde Tageskarte, die Peffekoven jene schon erwähnte frische Dorade bescherte, knusprig gegrillt, das Fleisch von genau richtig fester Konsistenz, mit einer Zitrone gefüllt - und, eine Kleinigkeit, aber erfreulich genug, ausreichend frischer Zitrone, um den Fisch damit zu beträufeln (18,90 Euro). Und dann ist da noch die günstige Mittagskarte, mit Standards der Küche wie Gemista, gefüllt mit Hackfleisch, Reis und Kräutern, Gyros oder, nicht zu vergessen, der vegetarische Teller (alle 7,50 bis 8,50 Euro).

Peffekoven findet übrigens: Der Kichererbsensalat, der in Wirklichkeit ein Kichererbsenpüree ist, wird schon bald in die häusliche Küche einziehen. Es wurde fest versprochen.

Adresse: St.-Cajetan- Straße 1, 81669 München, Telefon: 089/598249, Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 11 bis 0 Uhr, info@thessaloniki-muenchen.de

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Quelle:
SZ vom 15.10.2020/vewo
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