In anderen Ländern gibt es sie schon lange: Fahrradläden, die gleichzeitig auch ein Café sind. Vor allem in Italien, der Radsport- und Kaffeenation schlechthin, gehört beides traditionell zusammen. Doch auch in Austin, Texas, betreibt zum Beispiel der frühere Radrennfahrer Lance Armstrong einen Radladen namens "Mellow Johnny's" samt dazugehöriger Gastronomie. In Nizza servieren die Betreiber des Modelabels "Café du Cycliste" eben auch Kaffee. Auch in München gibt es diese Kombination aus Velo-Laden und Café inzwischen. Die SZ hat drei davon besucht.
"Monaco Velo Club": Ein Doppio unter Jan Ullrichs Rennrad
Heiko Wild bezeichnet sich selbst als einen Radverrückten. In der Tat braucht es schon eine gewisse Passion, um als Nicht-Profi an einem Tag drei Mal das Stilfser Joch in Norditalien hochzustrampeln und so knapp 4300 Höhenmeter zurückzulegen. Wild ist da aber längst nicht der einzige: Nachdem er eine Challenge mit dem Namen "Gran Stelvio" ins Leben gerufen hatte, haben sich schon eine ganze Reihe anderer Radverrückter daran beteiligt.
Wild fährt jährlich bis zu 10 000 Kilometer mit seinem Rennrad. Berge, auch anspruchsvolle, gehören da bei Touren häufig dazu. Früher hatte er einen Laden für Fahrradbekleidung in Erlangen, 2011 ist er mit seinem Geschäft "Bikedress" nach München umgezogen.
Zunächst gab es nur die Outfits, später kamen auch hochwertige Räder, etwa von Pinarello, dazu. 2016 schließlich eröffnete Wild Münchens erstes Fahrradcafé "Monaco Velo Club" gleich neben seinem Laden in der Ohlmüllerstraße 7. Es ist der Treffpunkt einer Gemeinschaft von begeisterten Radlern, die regelmäßig Ausfahrten unternehmen.
Ein Club im Sinne eines eingetragenen Vereins ist die Community nicht. Mitglied wird, wer sich bei Wild eine Ausstattung des von ihm gegründeten Labels für Radsport-Kleidung, "Monaco Velo Club" zulegt. Wer dann in dem Outfit im Café aufschlägt, bekommt einen Illy-Espresso umsonst. Womit man beim Kaffee wäre: Für Wild gehören Radsport und Kaffee einfach zusammen, sei es wegen des Koffein-Kicks vor einer Tour, sei es einfach wegen der Geselligkeit - nach einer anstrengenden Ausfahrt kann man sich auch mit einem Weißbier an der Ohlmüllerstraße erfrischen. Das Café steht übrigens nicht nur Radlern offen, sondern allen, die hier etwas trinken wollen - obwohl die Fahrrad-Community die Hauptkundschaft ausmacht.
Der Radsport dominiert - natürlich - das ansonsten klassische Erscheinungsbild einer Kaffeebar. Im Schaufenster hängt ein Rad über der Eisvitrine (Eis von Ballabeni gibt es hier im Sommer, außerdem auch Kuchen und Focacce), im hinteren Bereich hängt ein Rennrad, mit dem der später gefallene Radsport-Held Jan Ullrich 1998 die Tour de France bestritt, bei der er Zweiter wurde. Mit Ullrich sei er befreundet, erzählt Wild. Im Laden hat er ein originales Gelbes Trikot des Rennfahrers von 1997 ausgestellt, Ullrich selbst war sogar bei der Eröffnungsfeier des Cafés dabei.
Die Espressomaschine ist eine Faema E61 aus dem Jahr 1968 - das Jahr, in dem der Belgier Eddy Merckx mit dem Team Faema den Giro d' Italia gewann. Man merkt sofort, dass Radsportgeschichte neben Hightech-Ausrüstung an der Ohlmüllerstraße ebenfalls eine Rolle spielt.
Touren des "Monaco Velo Clubs" beginnen und enden hier in der Regel. Auch diesen Sommer wird es wieder auf Tour gehen, auch wieder in die Höhe - Anstrengung hin oder her. "Bei jedem Pass, den ich fahre, denke ich mir, was mach ich für einen Scheiß", sagt Wild. "Wenn ich aber oben bin, ist es episch."
Weitere Infos: monacoveloclub.de, bikedress.de
"Bici Bavarese": Radl, Radler und Leberkäs
Irgendwann dachten sich Maximilian Reiß und Florian Merhart, dass sie aus einem zeitintensiven Hobby auch gleich einen richtigen Beruf machen könnten. Beide sind schon seit langer Zeit befreundet, beide haben in der Filmbranche gearbeitet. Aber richtig Spaß hatten sie vor allem beim Radfahren - und beim Basteln an alten Rennrädern.
Angefangen hat es bei Touren durch die Toskana, von denen sie Teile von Campagnolo mitgebracht haben, ein traditioneller Hersteller hochwertiger Fahrradkomponenten. Mit denen haben sie dann zu Hause Vintage-Rennräder montiert, die sie an Liebhaber weiterverkauften. Die Teile bekamen sie aus unterschiedlichsten Quellen, zum Beispiel von älteren Leuten, die das einst so teure Rad nicht einfach auf den Schrott werfen wollten. Weil viele Verkäufer keine Ahnung hatten, wie viel ihr altes Velo noch wert ist, wäre so manches Schnäppchen für die Bastler dringewesen, "aber wir wollen immer einen fairen Preis zahlen", sagt Merhart.
Vor fünf Jahren eröffneten sie dann ihren eigenen Laden "Bici Bavarese" in Haidhausen. Vor zwei Jahren zogen sie in die Türkenstraße 26 in der Maxvorstadt um, in ein Haus, in dem früher ein Ofen- und Elektrogeschäft war. Und weil auch die beiden Firmengründer gerne etwas mit Gastronomie machen und einen Treffpunkt für Radfahrer schaffen wollten, wurde aus dem "Bici Bavarese" ein richtiges Café, in dem es neben gutem Kaffee aus der Herrmannsdorfer Bio-Rösterei Merchant and Friends (zubereitet mit einer La Marzocco) unter anderem auch Leberkässemmeln gibt - selbstbewusst tituliert als "wohl eine der besten Leberkässemmeln in der Region". Die besteht aus Herrmannsdorfer Bio-Leberkäs, einer Semmel von Julius Brantner, wird mit einer Kombination aus einer süßen Senfsoße, Kren und Essiggurkerl serviert - und schmeckt tatsächlich überdurchschnittlich köstlich. Wer dazu lieber ein Bier statt Cappuccino zischt, bekommt dies an der Türkenstraße auch.
Der Laden ist großzügig gestaltet, auf einer kleinen Fläche stehen ein paar Tische und Stühle neben allerlei Fahrrad-Utensilien, durch das große Schaufenster haben die Gäste einen schönen Blick auf die bunte Fassade des Museums Brandhorst - aber leider auch auf die nicht besonders fahrradfreundliche Türkenstraße. Dass sich hier irgendwann etwas ändert, darauf hoffen die beiden Unternehmer. "Erst dann wird das hier ein richtig schöner Treffpunkt", sagt Merhart.
Auch das "Bici Bavarese" hat sein eigenes Trikot-Label und inzwischen auch sein eigenes Radmodell, das den Namen "Servus Corsa" trägt und nach Maß in Norditalien gefertigt wird. Ansonsten gibt es neben modernen Rädern, etwa von der Edelmarke Stelbel, auch noch eine Menge in der eigenen Werkstatt montierte Vintage-Räder. Hier haben Reiß und Merhart eine ganze Reihe Schätze zusammengetragen, auch von hiesigen Rennradbauern wie Anton Redl, Edi Strobl oder Sigi Renz.
Ein altes Rad brauchen auch alle, die im Juni an dem vom Bici-Bavarese-Team organisierten "Giro Bavarese" mitmachen wollen, einer Ausfahrt am Tegernsee, zu der nur Räder zugelassen sind, "die noch mit D-Mark, Schilling, Lire oder Franc bezahlt wurden", wie Reiß sagt.
Weitere Infos: bicibavarese.de
"3 Mills Cycling & Coffee": Erst Espresso - dann ab ins Umland
Jens Hoffmann ist viel in der Welt herumgekommen. Er war Sportjournalist, hat lange Zeit als Autor, Kameramann und Regisseur gearbeitet und unter anderem Dokumentarfilme über brasilianische Fußballtalente ("Mata Mata - Spiel des Lebens") oder die US-amerikanische Pornoindustrie ("9to5 - Days in Porn") gedreht. Aber irgendwann hatte er auf etwas anderes Lust. Und weil er leidenschaftlicher Rennradfahrer und gleichzeitig Kaffeeliebhaber ist, griff auch er die Idee auf, einen Fahrradladen zu eröffnen, in dem man guten Kaffee bekommt.
Nach ausführlicher Suche nach einer geeigneten Location wurde er in der Dreimühlenstraße 40 fündig. Für Hoffmann bot die Nähe zur Isar die perfekte Lage für Ausfahrten ins Umland, "eines der schönsten Radreviere Europas", wie er sagt. Eigentlich will Hoffmann gar nicht von einem "Laden" mit angeschlossener Werkstatt sprechen. Vielmehr soll das "3 Mills Cycling & Coffee" ein "Cycling hub sein", ein Treffpunkt, an dem sich Radler austauschen oder vor einer Tour mit einem Espresso dopen und einem kleinen Snack stärken können.
Das Ladenlokal, das früher unter anderem schon Wirtshaus, Wohnung, Einrichtungsgeschäft und Fitnessstudio war, ist heute modern und stylisch gestaltet. An einem kleinen Tresen sitzt der Gast vor einer sehr edlen Maschine von Kees van der Westen, der Kaffee stammt von der Berliner Rösterei 19 grams.
An der Wand hängen großformatige Fotografien von Olaf Unverzart mit Szenen vom Giro d' Italia oder der Tour de France. In einem Regal im hinteren Bereich des Ladens stehen Bücher über Radsport zum Verkauf. Hauptsächlich aber geht es natürlich um Räder, die man hier auch ausleihen kann. Und in der Werkstatt nehmen sie auch Fahrräder an, die nicht hier gekauft wurden - anders als viele andere Radläden Münchens. Hoffmann weiß so manche Hintergrundgeschichte über seine Ware zu erzählen. Da erfährt man zum Beispiel, dass das Rennrad "Pressure" der Marke Cinelli vom berühmten Cover der Platte "London Calling" von The Clash inspiriert ist, auf dem der Bassist Paul Simonon sein Instrument zertrümmert. Auf dem Bass ist ein Aufkleber "Pressure" (Druck) zu sehen, eine Replik davon findet sich auf dem Rahmen des Rads. Das ist Storytelling reinster Sorte, wie es zum Geschäft eines früheren Filmemachers passt. "Wir wollten genau so einen Radladen machen, wie wir ihn in München vermisst haben", sagt er.
Weitere Infos: 3mills.cc