ADFC-RadsternfahrtTausende Radler für mehr Verkehrssicherheit

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Die Radsternfahrt des ADFC hat viele Teilnehmer angezogen, hier mit besonders viel Platz auf der Verlängerung der Landshuter Allee in Richtung Moosach.
Die Radsternfahrt des ADFC hat viele Teilnehmer angezogen, hier mit besonders viel Platz auf der Verlängerung der Landshuter Allee in Richtung Moosach. (Foto: Robert Haas)

Autos mussten warten: Viele Radaktivisten traten am Sonntag bei der Radsternfahrt in die Pedale. Am Königsplatz trafen sie zur Kundgebung zusammen. Ihre Forderung: mehr und bessere Fahrradwege.

Von Ekaterina Kel

Eine Stimme ruft: „Folge den Seifenblasen!“ Ein Mädchen hat keine Mühe, sie zu finden, und radelt hinterher. Die Seifenblasen bahnen sich ihren Weg durch die Fahrradfahrer. Kathrin Gerle hat sich eine kleine Seifenblasenmaschine mit Panzertape an ihren Gepäckträger befestigt. Eine konstante Freude-Maschine für alle, die in ihrer Nähe radeln, vor allem für die vielen Kinder.

Zur Radsternfahrt des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) München sind an diesem Sonntag Tausende Fahrrad-Begeisterte aufgebrochen. Viele sind als Familie unterwegs, manche Kleinen radeln selbst fleißig mit, selbstgemalte Fahnen wehen hinten an den Fahrrädern. Andere haben die Kinder im Anhänger oder vorne im Lastenrad dabei. Auch ältere Fahrradfans sind vertreten, mit Fähnchen „Team alle Ü60“.

„Es ist so schön zu sehen, dass so viele gekommen sind“, sagt Kathrin Gerle. Sie ist dieses Jahr das erste Mal bei der Organisation der Sternfahrt dabei, war zuständig für die Logistik. An diesem wechselhaften Mai-Vormittag war sie bereits auf dem Königsplatz, um dort alles vorzubereiten. Später am Nachmittag endet die Radsternfahrt dort, die Radfahrer aller fünfzehn Startpunkte rund um die Stadt treffen aufeinander. Um vier Uhr schätzt die Polizei die Teilnehmerzahl auf 5500. Um viertel vor fünf vermeldet der Veranstalter selbst 16 000 Teilnehmer. Die Zahl der Polizei hält eine ADFC-Sprecherin für „unrealistisch“.

Die Seifenblasenmaschine im Gepäck: Kathrin Gerle.
Die Seifenblasenmaschine im Gepäck: Kathrin Gerle. (Foto: Robert Haas)

Jetzt steht Gerle auf einer Wiese unweit der ehemaligen Siemenswerke in Obersendling. Um sie herum: hunderte Fahrradfahrer. Hier ist Rast und Sammelstelle. Helm, Sonnenbrille, Regenjacke – das scheint hier die nicht offizielle Uniform zu sein. Die Wolken haben sich gelichtet. Aus Lautsprechern summt entspannter Reggae. Manche knabbern an ihren Broten, auf einer Isomatte wird noch schnell ein Kind gestillt, hier und da wehen Fahnen vom Radentscheid, der politischen Gruppierung in München, die Forderungen an ein besseres Radwegenetz und mehr Sicherheit für Fahrradfahrer formuliert.

Man sieht auch viele selbstgemachte Schilder mit Losungen, etwa: „Mehr Fahrradwege, weniger Ausreden“ oder „Imagine every parked car is a tree“, oder einfach: „Radeln macht glücklich“.

Radeln zum ersten Mal mit: Reinhard und Melanie Haas mit den Töchtern Marlies und Johanna
Radeln zum ersten Mal mit: Reinhard und Melanie Haas mit den Töchtern Marlies und Johanna (Foto: Robert Haas)

Die Familie Haas ist aus Forstenried gekommen. „Wir sind total passionierte Fahrradfahrer, durch und durch“, sagt die Mutter Melanie. Bei jedem Wetter würden sie radeln, bestätigt Vater Reinhard, auch im Urlaub. Ihre beiden elfjährigen Zwillingstöchter Johanna und Marlies nicken lächelnd.

Klaus mit seinem umgebauten Bonanzarad.
Klaus mit seinem umgebauten Bonanzarad. (Foto: Robert Haas)

Nicht weit von ihnen zieht ein orangefarbenes Bonanzarad aus den Siebzigern die Blicke an. Klaus, der seinen Nachnamen nicht nennen will, hat es vor ein paar Jahren für wenig Geld als „Schrotthaufen“ erstanden und komplett erneuert, erzählt er. Dazu hat er es mit einem Elektro-Antrieb ausgestattet. Ein Freund, Mohammed Al-Zegri, fährt es heute bis zum Königsplatz.

Mitten im Sonnenschein stehen drei Menschen in voller Regenmontur, alles in Neonfarben, sogar die Helme haben Regenüberzüge. Ja, sie hatten tatsächlich Regen auf der Strecke, lacht einer von ihnen, Ludwig Irmer. Und nein, sie ziehen die Sachen nicht aus. Denn die Sichtbarkeit sei ja auch ein Statement. Wofür? „Damit es bessere Fahrradwege gibt“, sagt Irmer. Die Verkehrsführung für Fahrradfahrer müsse sicherer werden.

Gleich geschafft: Radfahrer kurz vor der Ankunft am Königsplatz.
Gleich geschafft: Radfahrer kurz vor der Ankunft am Königsplatz. (Foto: Robert Haas)

Tatsächlich hat die Radsternfahrt neben guter Laune und sportlicher Betätigung einen ernsten Unterton: Es geht darum, einige Straßen durch einen langen Zug an Fahrrädern zu blockieren und so für ein paar Stunden die Münchner wissen zu lassen, dass Fahrradfahrer sich als Verkehrsteilnehmer oft nicht sicher fühlen.

Das gefällt nicht allen. Die Fahrt wird zwar durchgehend von Ordnern, Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr und Polizisten begleitet, die Straßen sind abgesperrt. Insgesamt waren laut Polizei 650 Beamte und 150 Ehrenamtliche von der freiwilligen Feuerwehr für die Sicherheit zuständig. Doch auf der anderen Straßenseite etwa, da stauen sich die Autos weit nach hinten. Man hört Gezische aus offenen Autofenstern, beleidigende Rufe Richtung Radler.

Im Voraus gab es Streit über die genaue Stecke: Der ADFC wollte seine Radsternfahrt ursprünglich über Teile der Autobahn A96 führen. Dies haben die Polizei und das Kreisverwaltungsreferat (KVR) der Stadt München verboten, auch die Klage des ADFC dagegen wurde abgewiesen. Doch trotzdem will man viel Sichtbarkeit erreichen, auch und gerade durch die Sperrung großer Straßen. Kathrin Gerle hatte sich zum Beispiel darauf gefreut, über die Donnersbergerbrücke zu fahren. „So viel Autobahn wie möglich mitnehmen“, sagt sie.

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