Bildung in München:Wie über nachhaltige Mode informiert wird

Bildung in München: Vier Mädchen unterwegs in Sachen nachhaltige Mode: Die Schülerinnen Lucia Philipp, Angelina Kirchhof, Mia Kovac und Jessica Mahwim (von links).

Vier Mädchen unterwegs in Sachen nachhaltige Mode: Die Schülerinnen Lucia Philipp, Angelina Kirchhof, Mia Kovac und Jessica Mahwim (von links).

(Foto: Robert Haas)

Wie viel verdient eine Näherin an einem Shirt? Was hat ein Pulli mit der Zerstörung des Amazonas zu tun? Und welche nachhaltigen Alternativen gibt es? An fünf Orten in der Innenstadt sind hinter QR-Codes Antworten versteckt.

Von Kathrin Aldenhoff

Sie ahnten, dass es wenig sein würde. Dass es nur 18 Cent sind, erstaunt die vier Mädchen dann aber doch. 18 Cent, das ist der Lohn, den eine Näherin für ein Shirt bekommt, das im Laden 29 Euro kostet. "Das ist echt wenig", sagt die 16-jährige Jessica Mahwim. Dann liest sie vor, wer noch an einem Shirt verdient: die Fabrik, das Label - und vor allem der Einzelhandel, der verdient am meisten, "mehr als die Hälfte!", ruft Jessica Mahwim erstaunt. Die drei Mädchen neben ihr nicken.

Die vier Schülerinnen besuchen die zehnte Klasse des Elsa-Brändström-Gymnasiums in Pasing. An diesem Dienstag laufen insgesamt 21 Schülerinnen und Schüler mit zwei Lehrerinnen in kleinen Gruppen durch die Innenstadt, die Handys fest in der Hand, denn das gehört zum Programm an diesem Vormittag, zu der digitalen Schnitzeljagd mit dem Namen "Mucchase".

An fünf Orten - vom Marienplatz bis ins Glockenbachviertel - sind Informationen zum Thema nachhaltige Mode hinter QR-Codes versteckt. Mit der Instagram-App können die Jugendlichen sie ansehen, kommentieren, teilen und Links mit weiterführenden Informationen finden.

Auf dem Marienplatz sehen die Mädchen über ihre Handybildschirme virtuelle Kleiderhaufen aus Hongkong, Chile und Ghana. Darüber taucht die Frage auf: "Was meinst du, wo landen deine Klamotten wenn du sie entsorgst?" Jessica Mahwim setzt eine Umfrage dazu und postet alles zusammen in ihrer Instagram-Story. "Kleidung, die ich nicht mehr trage, spende ich", erzählt ihre Mitschülerin, die 15-jährige Angelina Kirchhof. "Oder ich mach was Neues draus." Neulich zum Beispiel wollte ihr Vater ein Hemd wegwerfen, erzählt sie. Ihr habe die Farbe so gut gefallen - Mintgrün -, und da habe sie sich eine Tasche daraus genäht.

Bildung in München: Die Plakate mit den QR-Codes hängen an mehreren Orten in der Stadt. Jeder Smartphone- und Instagram-Nutzer kann sie scannen und zum Beispiel mehr über den Müll erfahren, den sogenannte fast fashion verursacht.

Die Plakate mit den QR-Codes hängen an mehreren Orten in der Stadt. Jeder Smartphone- und Instagram-Nutzer kann sie scannen und zum Beispiel mehr über den Müll erfahren, den sogenannte fast fashion verursacht.

(Foto: Robert Haas)

Die vier Mädchen laufen in die Kaufingerstraße. Juliane Kahl, eine der Ideengeberinnen der digitalen Schnitzeljagd, hatte der Schulklasse vorhin beim Treffpunkt am Fischbrunnen noch eine Zusatzaufgabe gegeben: Sie sollten die nachhaltigen Modeläden zählen, die sie auf ihrer Tour sehen. Die Mädchen sehen sich um, sind unschlüssig. Eine fragt: "Ist H&M nachhaltig?" Dann sehen sie in der Kaufingertor Passage ein paar Mitschüler, und kurze Zeit später scannen sie den nächsten QR-Code, entdecken den nächsten Instagram-Filter.

Dass die digitale Schnitzeljagd ausgerechnet über Instagram läuft, das zum Unternehmen Meta gehört, fänden sie selbst nicht optimal, sagt Michael Greza von der Umweltakademie. Dort haben sie die Schnitzeljagd zusammen mit dem Responsive Fashion Institute entwickelt. Sie hatten über eine eigene App nachgedacht, die Idee aber verworfen. "Wir wussten, es wird nicht funktionieren, wenn wir es nicht über Instagram machen."

So kann jeder Fußgänger, der ein Smartphone und die aktuelle Version der Instagram-App hat, die QR-Codes scannen und auf seinem Smartphone virtuelle Elemente in der Umgebung entdecken. Und dann wachsen zum Beispiel in einer Passage auf einmal Bäume, die in Flammen aufgehen. Darüber erscheint die Frage: Wusstest du, dass einige große Modelabel mitverantwortlich sind für die Zerstörung des Amazonas? Bis zum 8. April hängen die QR-Codes, Michael Greza hofft, dass das Projekt verlängert wird.

Bildung in München: Die vier Schülerinnen sind von dem Konzept, sich hochwertige Kleidung zu mieten statt zu kaufen, auf Anhieb begeistert.

Die vier Schülerinnen sind von dem Konzept, sich hochwertige Kleidung zu mieten statt zu kaufen, auf Anhieb begeistert.

(Foto: Robert Haas)

Sie kaufe Kleidung vor allem secondhand, sagt Lucia Philipp, 15 Jahre alt. "Dann muss nicht noch mehr produziert werden, es ist ja eh schon so viel." Jessica Mahwim sagt, sie versuche zu verstehen, woher ihre Kleidung kommt und wie sie produziert wird. Und weniger zu kaufen. Sie würde später gerne in der Modebranche arbeiten, erzählt sie. Und das wird an einer Station der Schnitzeljagd dann ganz konkret.

Ein kleiner Laden in der Reichenbachstraße mit dem Namen Clothes Friends, die Mädchen stehen vor dem Schaufenster, gucken neugierig hinein. Das Plakat mit dem QR-Code hängt an der Theke, die Mädchen betreten den Laden, und eine der beiden Gründerinnen erklärt ihnen das Prinzip: Über ihre App können sie Kleidungsstücke aussuchen und mieten, in einem Zeitraum von zwei Tagen bis drei Monaten, und sie hier abholen.

Die Mädchen sind begeistert. Angelina Kirchhof guckt durch die Kleider, Jacken und Shirts auf den Kleiderstangen und zieht eine olivgrüne Jacke heraus. Die würde 4,50 Euro am Tag kosten; der Preis pro Kleidungsstück ist unterschiedlich, je nachdem, wie teuer das Teil ist. Jessica Mahwim fragt, ob sie ein Praktikum bei den beiden Gründerinnen machen kann. Die beiden Frauen strahlen und nicken, die Mädchen stecken Flyer ein, dann geht es zurück zu den anderen. Bald fährt die S-Bahn, nächste Schulstunde: Französisch.

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