Prozess um Zwangsprostitution:Aus Mangel an Beweisen freigesprochen

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  • Die drei Betreiber des Bordells "Ambiente Rose" und ein weiterer Angeklagter sind vom Vorwurf der Zwangsprostitution, des Menschenhandels und der Zuhälterei freigesprochen worden.
  • Zwei der Angeklagten wurden jedoch wegen Körperverletzung und Drogenhandels verurteilt.
  • Der Richter kritisierte die Arbeit der Ermittlungsbehörden, Standards der Polizeiarbeit seien nicht eingehalten worden.

Aus dem Gericht von Kai Blum

Die drei Betreiber des Bordells "Ambiente Rose" am Helene-Wessel-Bogen und ein weiterer Angeklagter sind von der 8. Strafkammer am Landgericht München I von den Vorwürfen der Zwangsprostitution, des Menschenhandels und der Zuhälterei freigesprochen worden. Zwei Geschäftsführer des Etablissements, Livia G. und Sandor K., wurden jedoch wegen Körperverletzung und gewerbsmäßigem Handel mit Betäubungsmitteln zu zwei und drei Jahren Haft verurteilt. Die Beklagten Gusztav B. und Gökhan G., der Ehemann von Livia G., wurden auch in diesen Punkten freigesprochen. Der Vorsitzende Richter Gilbert Wolf kritisierte in der Urteilsverkündung die Ermittlungsbehörden: "Basics" der Strafverfolgung seien versäumt worden, sagte er.

Die Staatsanwaltschaft erhob im März 2019 Anklage unter anderem wegen besonders schwerer Zwangsprostitution, besonders schweren Menschenhandels, Zuhälterei, Körperverletzung und des bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln. Neun Frauen aus Ungarn und Rumänien, die jüngste gerade erst 18 Jahre alt, sollen zwischen Februar 2017 und August 2018 nach Deutschland gebracht, hier unterdrückt, eingeschüchtert, misshandelt und zur Prostitution gezwungen worden sein.

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Dafür sammelte sie Gegenstände vom Straßenstrich auf und fuhr in die Heimat vieler Prostituierter. Im Buch kommen auch die Freier zu Wort.

Von Sophie Aschenbrenner

Die Strafkammer wertete stundenlange Videoaufnahmen aus dem Bordell aus, außerdem Abhörprotokolle, die durch eine lange andauernde Telefonüberwachung entstanden sind. Livia G. und Sandor K. hätten die Frauen zum Teil "rücksichtslos und brutal" mit Fäusten und Tritten verletzt, sagte Richter Wolf. "Diese Körperverletzungen der Prostituierten sind klar zu verurteilen." Menschenhandel oder Zuhälterei seien für die Kammer durch die Aufnahmen und Protokolle jedoch nicht nachvollziehbar.

Der Richter kritisierte die Ermittlungsbehörden zudem zu Beginn der Urteilsverkündung deutlich: Es sei einseitig gegen die Angeklagten ermittelt worden. Beweismittel, die diese möglicherweise entlastet hätten, seien dem Gericht vorenthalten worden. Es wurden beispielsweise 28 "Milieukontrollen" ohne Beanstandungen durchgeführt, von denen die Strafkammer aber erst am vierten Verhandlungstag erfahren habe. Darüber hinaus hätten die Ermittler versäumt, Haarproben der Beschuldigten zu entnehmen, obwohl offensichtlich sei, dass diese selbst Rauschgift konsumieren würden.

Neben den Körperverletzungen an den Prostituierten haben sich Livia G. und Sandor K. des gewerbsmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln strafbar gemacht. Livia G. und Sandor K. sollen den Freiern laut der Strafkammer sogenannte "Partypakete" vermittelt haben, dazu gehörten neben ein oder mehreren Prostituierten auf Wunsch auch Kokain oder anderes Rauschgift. Der Beschuldigte Gökhan G. sprach am Telefon mehrmals von "Milchreis" und "Tee", die Kammer konnte jedoch nicht eindeutig feststellen, was damit gemeint war.

Die Aussagen der vermeintlichen Opfer während des Prozesses ließen keine Verurteilung wegen Menschenhandel und Zwangsprostitution zu, so Wolf. Die Hauptzeugin, die im Bordell unter dem Namen Nella arbeitete und mit Sandor K. liiert war, habe vor Gericht keine genauen Angaben zu Ort und Zeit der ihr widerfahrenen Körperverletzungen durch den Täter machen können, sagte der Richter. Sie selbst bezeichnete sich als "Werkzeug von K.", das sich für ihn prostituiert und Geld verdient.

Juliane von Krause, Geschäftsführerin der Initiative "Stop dem Frauenhandel", die die Hauptzeugin betreut hat, sagt zum Urteil: "Die Voraussetzung für den Straftatbestand Menschenhandel, nämlich die Ausnutzung einer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage, war aus Sicht des Gerichtes nicht gegeben." Sie habe gedacht, dass die Beweislage durch Abhörprotokolle und Videomaterial dieses Mal besser sei und sei deshalb frustriert von dem Prozessausgang.

© SZ vom 23.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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