Prozess:Ehepaar soll Frauen zur Prostitution gezwungen haben

  • Zwei Bordellbetreiber sollen gemeinsam mit zwei Komplizen über Jahre Frauen aus Osteuropa zur Prostitution gewzungen haben.
  • Zudem müssen sich die Angeklagten auch wegen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, besonders schweren Menschenhandels und Körperverletzung verantworten.
  • Den Angeklagten drohen hohe Haftstrafen - das Urteil wird Mitte November erwartet.

Von Andreas Salch

Sie sollen unterdrückt, erniedrigt, eingeschüchtert, brutal misshandelt und rund um die Uhr überwacht worden sein. Rechtlose Individuen, ihren Peinigern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Neun Frauen aus Ungarn und aus Rumänien. Die jüngste gerade erst 18 Jahre alt. Zwischen Februar 2017 und August vergangenen Jahres sollen sie in einem Bordell am Helene-Wessel-Bogen auf unvorstellbare Art und Weise von der Geschäftsführerin des Etablissements "Ambiente Rose", Livia G., und ihrem Mann Gökhan zur Prostitution gezwungen worden sein.

Die beiden müssen sich seit Dienstag vor der 8. Strafkammer am Landgericht München I verantworten. Mit auf der Anklagebank sitzen zwei mutmaßliche Komplizen. Sandor K., ein muskulöser, tätowierter Hüne mit Undercut, und der eher schmächtige und unscheinbar wirkende Gusztav B., ein gelernter Wasser- und Heizungsinstallateur. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage unter anderem wegen besonders schwerer Zwangsprostitution, besonders schweren Menschenhandels, Zuhälterei und Körperverletzung erhoben.

Zum Auftakt des Prozesses machte keiner der Angeklagten Angaben. Den Ermittlungen zufolge leiteten Livia G., ihr Mann und Sandor K. das Bordell "Ambiente Rose" fast fünf Jahre bis zu ihrer Festnahme Anfang August 2018. Außerdem sollen sie einen Escort-Service im Großraum München organisiert haben. Den Freiern sollen sie dabei nicht nur Prostituierte vermittelt, sondern auf Wunsch auch Rauschgift, vorwiegend Kokain, verkauft haben. Deshalb müssen sich G., ihr Mann und Sandor K. zudem wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln beziehungsweise der Beihilfe hierzu verantworten. Aufgeflogen sind die vier Angeklagten, wie Livia G.s Verteidiger Christian Finke am Rande des Prozesses sagte, letztlich erst durch einen Hinweis aus einem anderen Bordell. Bis dahin wussten Polizei und Behörden nichts von den Zuständen in dem Club im Euroindustriepark.

Ihre mutmaßlichen Opfer sollen die Angeklagten zum Teil mit Versprechungen dazu gebracht haben, nach Deutschland zu kommen. Etwa für einen Job in einer Fabrik. Einige der Frauen arbeiteten im "Ambiente Rose", weil sie sich in einer Notlage befanden. Zum Beispiel eine Rumänin, die laut Anklage unter dem Arbeitsnamen "Beatrice" zur Prostitution gezwungen wurde. Sie brauchte Geld, um ihren vier Jahre alten Sohn versorgen zu können. Oder "Nadja". Ebenfalls aus Rumänien. In ihrer Heimat verdiente sie zu wenig Geld, um ihren kranken Vater unterstützen zu können. "Laura" war als Transsexuelle in Rumänien stigmatisiert und fand deshalb dort keine Arbeit.

Die Frauen im "Ambiente Rose" hatten keinerlei Rechte. Ohne die Erlaubnis von Livia G. und Sandor K. durften sie angeblich nicht einmal einen Fuß vor die Tür setzen. Unter anderem während des Oktoberfests mussten die Frauen von 15 Uhr bis morgens um fünf Uhr in der Bar anwesend sein und jederzeit Freiern zur Verfügung stehen. Wagte es eine von ihnen, sich den Anweisungen von Livia G. und Sandor K. zu widersetzen, sollen sie angeschrien, unter Druck gesetzt oder mit Fäusten und Tritten malträtiert worden sein. Das meiste von dem, was die Zwangsprostituierten verdienten, haben den Ermittlungen zufolge die Angeklagten für sich abgezweigt. Für den Prozess unter Vorsitz von Richter Gilbert Wolf sind weitere 19 Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil wird Mitte November erwartet.

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