Süddeutsche Zeitung

Prozess in München:Der Mann mit der Wolfsmaske schweigt

Vor dem Landgericht wird die Vergewaltigung eines elfjährigen Mädchens erneut verhandelt. War die ursprüngliche Strafe gegen den Mann, der mit einer Wolfsmaske verkleidet über das Kind herfiel, zu hoch?

Von Susi Wimmer

"Bedarf dringend einer Behandlung", "weitere Taten zu befürchten", "erhebliche kriminelle Energie": Seit seinem 17. Lebensjahr war Christoph K. bei den Gerichten in Fürstenfeldbruck und München einschlägig bekannt. Wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Vergewaltigung saß er in Haft oder in psychiatrischen Kliniken. Doch der Gutachter, der 2006 Gustl Mollath in eine geschlossene Einrichtung schrieb, verfasste mit drei weiteren Kollegen ein Gutachten, das Christoph K. aus eben dieser herausbrachte.

Kaum in Freiheit, vergewaltigte K. im Sommer 2019 ein elfjähriges Mädchen, über dem Kopf trug er dabei eine Wolfsmaske. K. wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.

Die spätere Revision von Verteidiger Adam Ahmed war erfolgreich, der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil auf. Der 1. Strafsenat am BGH monierte, dass die Kammer in München bei der Bemessung der Strafe nicht berücksichtigt habe, dass auch eine Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. Am Schuldspruch allerdings ist laut BGH nicht zu rütteln. Jetzt wird am Landgericht München I neu über das Strafmaß verhandelt.

Christoph K. steht an diesem Dienstag im Gerichtssaal in München, Kapuze über dem Kopf, vor dem Gesicht ein Aktendeckel. Und da steht er lange, zehn Minuten, vor den Kameras der Presse, bis die 11. große Strafkammer den Saal betritt. Am ersten Prozesstag wird K. schweigen. Das Prozedere vor Gericht kennt er ohnehin zur Genüge. Acht Einträge listet das Bundeszentralregister.

Verteidiger Ahmed will erreichen, dass der mutmaßliche Kinderschänder nicht ins Gefängnis muss, wo er in der Knast-Hierarchie an unterster Stufe stehen würde, sondern in die Psychiatrie eingewiesen wird. In erster Instanz hatte ein Gutachter K. die volle Schuldfähigkeit bescheinigt.

Tatsächlich war Christoph K., der im Sommer 2019 Vollzugslockerungen genoss und in einer therapeutischen Gruppe lebte, bei der Tat äußerst planvoll vorgegangen: Er suchte sich ein Mädchen aus, das auf dem Heimweg von der Schule immer zur selben Zeit in die S-Bahn stieg. Er fotografierte sie, folgte ihr, spionierte die Gegend aus. Dann kaufte er in einem Horrorshop eine Wolfsmaske, löschte ihr Foto, besorgte sich ein neues Handy.

Am Tattag packte er ein zweites T-Shirt zum Umziehen ein und Latex-Handschuhe. In einem Waldstück in der so genannten Amisiedlung zog er das Mädchen in ein Gebüsch. Nach der Tat ging er abends mit seiner Freundin Essen. Sie sagte später, ihr Freund sei wie immer gewesen.

Für das Mädchen und ihre Eltern ist die erneute Verhandlung am Landgericht äußerst belastend: Wie Richter Stephan Kirchinger das Urteil aus erster Instanz zitierte, leide das Mädchen unter Angststörungen, könne alleine kaum die Wohnung verlassen. Auf Antrag der Nebenklage wird auch die Mutter nicht als Zeugin vernommen, "auch sie hat die Tat noch nicht verarbeitet", sagte ihre Anwältin.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung hieß es: "Verteidiger Ahmed hofft auf eine mildere Strafe für seinen Mandanten, und, dass der mutmaßliche Kinderschänder nicht ins Gefängnis muss, wo er in der Knast-Hierarchie an unterster Stufe stehen würde, sondern in die Psychiatrie eingewiesen wird." Rechtsanwalt Adam Ahmed legt Wert auf die Feststellung, dass seine Revision nicht auf das Strafmaß abzielte, sondern darauf, dass sein Mandant in die Maßregel der Psychiatrie kommt, um dort weiterhin eine Behandlung zu erfahren, die er während einer Haft nicht bekomme. Wir haben das im Text entsprechend geändert.

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