Prozess:Reiche Witwe in München ermordet - Angeklagter bestreitet Tat

Prozess: Der Angeklagte soll seine Gönnerin aus Habgier getötet haben.

Der Angeklagte soll seine Gönnerin aus Habgier getötet haben.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Aus Habgier soll der 34-Jährige die Seniorin getötet haben. Zwischen den beiden bestand laut Anklage zunächst eine Art Mutter-Sohn-Verhältnis - doch dann kam es offenbar zum Streit.

Von Susi Wimmer

"Der Tatvorwurf wird vollumfänglich bestritten, es gibt noch Bedarf an Nachermittlungen", sagt Verteidiger Adam Ahmed. Die erste Strafkammer am Landgericht München I wird dem mit der ihr eigenen Gründlichkeit sicher nachgehen. Schließlich geht es um ein Menschenleben: Der angeklagte Ahmed H. soll vor genau einem Jahr eine vermögende Witwe in ihrer Obermenzinger Wohnung ermordet haben. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass der 34-Jährige die Frau aus Habgier getötet hat, weil er als Alleinerbe ihres Vermögens eingesetzt gewesen sein soll.

Ahmed H. wirkt fahl - und grau: Seine Kleidung, sein schwarzes, halblanges Haar mit den grauen Strähnen, sogar der Ordner, der vor ihm liegt, ist grau. Er versteckt sein Gesicht hinter Papiermappen, dreht den Fotografen den Rücken zu. Dann lauscht er der Anklageverlesung und den Worten der Dolmetscherin, studiert seine Fingernägel, wirkt nervös.

Der gebürtige Syrer arbeitete bis zu seiner Festnahme in einer Autowerkstatt in München als Lackierer, dort lernte er auch Katrin F. kennen. Sie ließ dort ihren Mini Cooper reparieren, man kam ins Gespräch, freundete sich an. Ahmed H. half der älteren Frau bei alltäglichen Dingen, im Gegenzug schenkte sie ihm Wertsachen oder unterstützte ihn mit Geld. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Mann hoch verschuldet war. Zeitweise habe er auch in der Wohnung der Witwe in dem stattlichen Haus übernachtet. Die Lebensgefährtin von Ahmed H. sowie seine Kinder wohnten in Dortmund.

Laut Anklage entwickelte sich eine Mutter-Sohn-Beziehung, die so intensiv war, dass Karin F. dem Lackierer einen Zweitschlüssel für ihre Wohnung übergab, außerdem kannte er den Code für ihren Tresor, in dem wertvolle Armbanduhren und Schmuck lagerten. Schließlich verfasste die Frau im Sommer 2021 noch ein Schreiben, in dem sie Ahmed H. als ihren Adoptivsohn ansah. Ebenso soll ein Schriftstück existieren, das als "Testament" überschrieben ist, und in dem H. als Alleinerbe eingesetzt ist.

Der Verteidiger sieht Nachholbedarf bei den Ermittlungen

Anfang Dezember 2021 sollte H. im Auftrag seiner Gönnerin deren Mini Cooper verkaufen. Im Januar 2022 allerdings soll Katrin F. das Auto zurückgefordert haben. Dabei, so sieht es die Staatsanwaltschaft, kam es in der Wohnung der Frau in der Münchhausenstraße zum tödlichen Streit. Die Ermittler gehen davon aus, dass Ahmed H. finanziell das Wasser bis zum Hals stand und er befürchtete, dass die Geldquelle versiegen könnte. Er habe auf die zierliche Frau eingeschlagen und mit einem spitzen Gegenstand auf sie eingestochen. Die 72-Jährige soll binnen weniger Minuten verstorben sein.

Noch am selben Tag soll H. versucht haben, die Wohnung der Frau zu vermieten. Außerdem soll er zwei wertvolle Uhren von Katrin F. in einem Pfandhaus versetzt haben. Fünf Tage später sperrte er mit seinem Schlüssel die Wohnung auf, fand die Leiche und verständigte einen Nachbarn. "Er gab vor, überrascht und schockiert zu sein", formuliert es die Staatsanwaltschaft.

Verteidiger Adam Ahmed sieht Nachholbedarf bei den Ermittlungen, etwa bei der Auswertung der Telefone. Und er erklärt, dass die DNA-Spuren an der Leiche durch das Auffinden zu erklären seien. Dass sein Mandant widersprüchliche Angaben gemacht habe, liege daran, dass er "Analphabet ist - und in seinen Gedanken sehr sprunghaft". Ahmed H. halte daran fest, die Tat nicht begangen zu haben, "und ich glaube ihm". Der Rechtsanwalt sieht eine "Alternativtäterschaft": Einen anderen Mann, der ebenfalls bei Katrin F. ein und aus ging, einen eigenen Schlüssel hatte - und der sich als Erbe des Vermögens sieht.

Die Schwurgerichtskammer unter dem Vorsitz von Elisabeth Ehrl hat 16 Tage für den Prozess anberaumt. Am Donnerstagnachmittag, so kündigte Verteidiger Ahmed an, werde sich sein Mandant umfassend zur Sache und zu seiner Person einlassen.

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