Jüngst ging eine Umfrage viral, bei der die Mehrheit der Frauen auf die Frage, ob sie im Wald lieber einem Bären oder einem Mann begegnen würden, dem größten landlebenden Raubtier Europas den Vorzug gaben. Also dem Bären. Kann sein, dass Jiri R. (Name geändert) heute auch so entscheiden würde: Denn in einer seelischen Notsituation sprach ihn ein unbekannter Mann am Zentralen Busbahnhof an, lockte ihn in seine Wohnung – und vergewaltigte ihn. Dafür verhängte das Amtsgericht nun eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren gegen den Täter, und setzte diese zur Bewährung aus.
Die Sitzung am Amtsgericht war in zweierlei Hinsicht außergewöhnlich: Dass nämlich ein Mann Opfer einer Vergewaltigung wird, ist selten. Zum anderen hatte sich das Gericht auch mit der Frage auseinanderzusetzen, wann eine Vergewaltigung eine Vergewaltigung ist. Via juristischer Definition ist diese mit dem Eindringen in eine Körperöffnung verbunden.
Marcin B. ist ein einfacher Mann, der regelmäßig von Polen nach Deutschland reist, um hier als 24-Stunden-Altenpfleger zu arbeiten. Über seinen Verteidiger Benedikt Stehle räumt er die Tat ein. Er bereue zutiefst, habe damals eine schwere Zeit gehabt – und viel Alkohol getrunken.
Am 2. März 2023 sprach der 35-Jährige am Zentralen Busbahnhof Jiri R. an, der auf seinen Bus nach Weißrussland wartete. Jiri R. wirkte etwas desolat, Streit mit der Freundin und dazu noch eine halbe Flasche Wodka. Er könne mit in seine Wohnung kommen, kurz duschen und sich ausruhen, bot Marcin B. an.
Man ging in die Wohnung in der Maxvorstadt, trank ein Bier und Jiri R. legte sich hin. Er erwachte jäh, als er bemerkte, dass sich sein Gastgeber gerade oral an seinem Penis zu schaffen machte. Jiri R. sprang auf, verließ fluchend das Haus, markierte noch die Haustüre mit seiner Tasche und alarmierte die Polizei.
„Es war ein unangenehmes Gefühl“, sagte der Weißrusse bei der Polizei aus. Für ihn seien „diese Gefilde“ etwas Fremdes. Aber reiche ein „unangenehmes Gefühl“ aus, um die Tat als besonders erniedrigende Handlung, als Vergewaltigung einzustufen, fragte Rechtsanwalt Stehle in seinem Plädoyer.
Ja, urteilte das Schöffengericht. Und bei dem entsprechenden Paragrafen mache es ohnehin „keinen Unterschied, in wessen Körper eingedrungen wird“. Noch im Gerichtssaal nahm B. das Urteil an.