Prozess in München:Ein fast perfekter Plan, den Tresor von "Globetrotter" leerzuräumen

Globetrotter Laden in München, 2011

Büroräume und Tiefgarage des "Globetrotter" und eine Hotellobby waren Bühne für die Räuberpistole.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Ein Wachmann, ein Hausmeister und ein Räuber sollen 30 000 Euro aus einem Tresor des Outdoor-Ausrüsters "Globetrotter" geklaut haben.
  • Um ihre Tat zu verschleiern, fingieren sie mutmaßlich einen Überfall, den es wohl nie gegeben hat.
  • Einer der Täter wurde jedoch nervös, so brachte er die Fahnder auf die Spur seiner Komplizen.

Von Martin Bernstein

Sie hatten ihren Coup vermeintlich geschickt eingefädelt. Niemand sollte daran zweifeln können, dass ein Wachmann beim Outdoor-Ausrüster "Globetrotter" Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls geworden war. Es war am 6. Februar vor einem Jahr, als der an einen Heizkörper gefesselte Mann gegen 23 Uhr durch ein geöffnetes Fenster so laut um Hilfe rief, dass ein Zeuge ihn hörte, die Polizei alarmierte und diese den Mann befreite.

Ein mit einer Pistole bewaffneter Räuber habe ihm aufgelauert und ihn gefesselt, berichtete der Wachmann. Dann habe der Unbekannte, der eine Gummimaske mit menschlichen Gesichtszügen getragen habe, den Tresor ausgeräumt. Rund 30 000 Euro fehlten. Die Höhe der Beute war - wie man jetzt weiß - so ziemlich das einzige, was an der Geschichte stimmte.

Der Wachmann, der Räuber und ein weiterer Komplize hatten die Tat nach Angaben der Münchner Staatsanwaltschaft nämlich gemeinsam geplant. Im März und April soll dem Trio der Prozess gemacht werden. Möglicherweise werden dann auch die schauspielerischen Leistungen der drei zwischen 30 und 45 Jahre alten Beteiligten zur Sprache kommen.

Denn zunächst klang die Geschichte nicht unglaubwürdig. Die Zweifel kamen den Ermittlern erst später. Zunächst werteten sie Telefondaten und Aufnahmen einer Überwachungskamera aus der Tiefgarage aus. Zu sehen waren ein Opel Vivaro und dessen Fahrer, die sich beide einem Hausmeisterservice zuordnen ließen. Die Ermittler hefteten sich an die Fersen des Mannes, ohne dass dieser es merkte. Nach einer Durchsuchung der Hausmeisterfirma wurde der Mann nervös. Er fuhr zu einem Hotel, um sich dort mit einem weiteren Mann zu treffen. Auch ihn glaubten die Ermittler zu kennen - Statur und Auftreten erinnerten sie sehr an den bewaffneten Räuber, der auf den Überwachungsvideos zu sehen gewesen war. Die beiden wurden noch im Hotel festgenommen.

Der Barkeeper des Hotels bescherte den Kriminalpolizisten dann die überraschende Wende - im klassischen Drama spricht man von der "Peripetie". Er erinnerte sich daran, dass er den mutmaßlichen Räuber bereits dreimal in der Hotellobby gesehen hatte. Und zwar immer zusammen mit einem Mann, der einen auffälligen Bart gehabt hatte. Genau diese Kinnzier trug der "Globetrotter"-Wachmann. Die Polizisten zeigten dem Barkeeper daraufhin Fotos - und er bestätigte: Ja, das sei der Mann.

Noch am selben Tag wurde auch der Wachmann festgenommen, der bis dahin trotz einer früheren Bewährungsstrafe als zuverlässig gegolten hatte. Rückblickend entdeckten die Ermittler auch auf den Videos aus der Tatnacht Hinweise darauf, dass der vermeintliche Überfall wohl großes Theater gewesen war. Weil die Staatsanwaltschaft sich bei ihrer Anklage aber nicht auf ihr dramaturgisches Bauchgefühl verlassen wollte, holte sie zahlreiche Gutachten ein: unter anderem einen Textilvergleich, ein Größengutachten zur Identität des Räubers, die Auswertung der Funkzellendaten und einen DNA-Abgleich.

Inzwischen ist die Anklagebehörde sich sicher, den genauen Ablauf des vorgetäuschten Raubüberfalls rekonstruieren zu können. Am Donnerstag stellte die Staatsanwaltschaft die entscheidenden Erkenntnisse vor. Demnach hatten sich Wachmann und Räuber zweimal Ende Dezember 2018 und dann noch einmal kurz vor der Tat in der Lobby des Hotels getroffen, um die Details ihres Schurkenstücks abzusprechen.

Irgendwann zwischen diesen Treffen holten sie den Hausmeister mit ins Boot. Dieser sollte mit seinem Vivaro den Räuber zu dessen großen Auftritt fahren. Das passierte dann nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft am Tatabend gegen 19 Uhr. Auf dem Hotelparkplatz stieg der mit einer Schusswaffe ausgerüstete Räuber ein und versteckte sich am Boden liegend im Hinterraum des Fahrzeugs. In der Globetrotter-Tiefgarage war für den Fahrer erst einmal Pause. Der Räuber indes wurde zu seinem eigenen Maskenbildner: Er setzte sich, passend zur Faschingszeit, eine Silikonmaske auf, zusätzlich trug er noch Mütze, Schal und Sonnenbrille.

Erst kurz nach 21 Uhr sei der Mann dann aus der Tiefgarage in die Globetrotter-Büroräume gegangen, wo ihn sein Komplize schon erwartet habe, so die Staatsanwaltschaft. Jetzt inszenierten die beiden die Schlüsselszene ihres Stücks - den bewaffneten Überfall. Der Wachmann ließ sich an den Heizkörper fesseln, der Räuber leerte den Tresor und türmte anschließend mit der Beute und dem Handy seines vermeintlichen Opfers, erneut im Vivaro versteckt.

Der Prozess gegen das Trio wegen Diebstahls mit Waffen und Vortäuschens einer Straftat beginnt am 10. März. Neun Verhandlungstage sind dafür angesetzt. Ein klassisches Drama endet üblicherweise mit der Verurteilung und Verdammnis der Protagonisten. Oder mit ihrer Läuterung und sittlichen Reinigung.

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