Wahidullah H. schwieg während des gesamten Prozesses. Was hätte er auch sagen sollen, zu dem, was ihm die Staatsanwaltschaft am Landgericht München I zur Last legte? Seine Tat war gleich von mehreren Überwachungskameras aufgezeichnet worden. Auf den Aufnahmen ist zu sehen, wie der inzwischen 20-jährige Afghane in den frühen Morgenstunden des 19. August vergangenen Jahres nach Betriebsschluss in der verwaisten U-Bahnstation Max-Weber-Platz einen jungen Mann, der auf einer Bank kauerte, auszog und vergewaltigte. Das Opfer, ein 18-jähriger Tourist aus Polen, versuchte sich zwar gegen die Übergriffe zur Wehr zu setzen, war dazu aber nicht mehr in der Lage. Er war so alkoholisiert, dass er auch nicht mehr weglaufen konnte. Nach dem Übergriff hatte Wahidullah H., ehe er sich davonmachte, noch das Handy seines Opfers gestohlen.
Für die Tat verurteilten die Richter der 1. Jugendkammer am Landgericht München I den 20-Jährigen am Freitag zu einer vierjährigen Jugendstrafe. Wahidullah nahm das Urteil äußerlich völlig regungslos zur Kenntnis.
In der polnischen Politik hatte der Vorfall in der Münchner U-Bahn einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Das Außenministerium bestellte den Gesandten der deutschen Botschaft ein. Polens damaliger Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von der nationalkonservativen PiS forderte, polnische Staatsanwälte in die Ermittlungen einzubeziehen, und nutzte das Geschehen, um die ablehnende Haltung seines Landes zur EU-Migrationspolitik zu untermauern. Die Vergewaltigung des 18-Jährigen durch einen Migranten aus Afghanistan sei die Folge einer „Politik der offenen Grenzen“, schrieb Morawiecki auf der Plattform X.
Das 18-jährige Opfer habe trotz seiner starken Alkoholisierung „durch nonverbales Verhalten“ deutlich gemacht, dass es nicht wollte, was der Angeklagte mit ihm gemacht habe, sagte der Vorsitzende Richter Michael Schönauer bei der Urteilsbegründung. Auch wenn auf den Bildern der Überwachungskameras nicht alles zu sehen sei, sei deutlich „erkennbar, dass sexuell motivierte Handlungen vorgenommen wurden“.
DNA-Spurten lieferten zudem den Beweis, dass Wahidullah H. den 18-Jährigen nicht nur begrapscht, sondern auch vergewaltigt habe. Sein Opfer sei ihm aufgrund seiner starken Alkoholisierung jedoch „schutzlos ausgeliefert“ gewesen. Der Angeklagte habe den 18-Jährigen gewissermaßen „im Vorbeigehen“ missbraucht, so Richter Schönauer. Dies zeige eine „schwere charakterliche Fehlhaltung“.
Dass der Fall ihres Mandanten zu einem „Politikum“ wurde, lastete Wahidullah H.s Verteidigerin, Rechtsanwältin Rita Drar, zum Prozessauftakt der Münchner Polizei an. Diese hatte fälschlicherweise zunächst berichtet, dass der 20-Jährige sich über „mehrere Stunden“ an seinem Opfer vergangen habe. Nachdem auch dessen Nationalität bekannt gemacht worden sei, so die Verteidigerin, sei diese in der Diskussion um den Vorfall rassistisch instrumentalisiert worden.
Der 18-jährige Pole leidet nach Angaben seines Anwalts Christos Perperidis bis heute unter der Tat. Was geschehen sei, könne er nicht vergessen.