Prozess:"Ein bisschen Respekt verlangt"

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Angeklagter soll aus Wut seinem Opfer auf den Kopf getreten haben

Es ist ein ernüchterndes Fazit, das Ion-Gheorge L. jetzt, gut ein Jahr nach dem Besuch eines Bordells in Pasing, zieht: "Alles was passiert ist, ist wegen der alkoholischen Getränke passiert", erklärt der stämmige Eisenflechter am Mittwochmorgen im Sitzungssaal B 275 des Strafjustizzentrums. Ion-Gheorge L. sitzt auf der Anklagebank eines Schwurgerichts am Landgericht München I, die Staatsanwaltschaft legt ihm versuchten Totschlag zur Last.

Der 50-Jährige verträgt offenbar einiges. In der Gegend, aus der er stamme, werde eben viel getrunken, erklärt der Angeklagte. Im Laufe des Abends am 16. August 2019 hatte er reichlich getrunken - zwei Dreiviertelliter Falschen eines eher günstigen Weißweins -, ehe er mit einem Arbeitskollegen gegen 22 Uhr in den Club in einem Gewerbegebiet ging. In dem Bordell trank Ion-Gheorge L. seinen eigenen Angaben zufolge dann weitere vier Bier, 0,33 Liter, sowie 0,1 Liter Wodka.

Dann kam es gegen 3.35 Uhr zu einem Streit: Zunächst ging eine Schlägerei los zwischen vier anderen Gästen und drei Prostituierten. Der Chef des Clubs ging dazwischen - bewaffnet mit einer Eisenstange. Unter den vier Männern befand sich auch Zeno F. (Name geändert). Ion-Gheorge L. behauptet, der 25-Jährige habe sich zuvor über ihn lustig gemacht. "Dass ich alt bin und was ich hier zu suchen habe", soll F. zu ihm gesagt haben. Auch seine Mutter, die erst kurze Zeit zuvor gestorben war, habe F. beleidigt, sagt Ion-Gheorge L. und ist den Tränen nahe. Er solle aufhören, habe er zu dem 25-Jährigen gesagt. "Ich habe nach ein bisschen Respekt verlangt, vielleicht wegen meines Alters." Der Chef des Bordells soll Zeno F. bei der Auseinandersetzung mit den drei Prostituierten mit seiner Eisenstange gegen die Beine geschlagen haben. Angeblich einer von F.s Freunden zog den 25-Jährigen daraufhin ins Freie. Vor der Tür des Clubs habe dann Ion-Gheorge L. Zeno F. laut Anklage mehrfach "wuchtig mit dem rechten Fuß gegen den Rücken" und "mindestens zweimal mit voller Wucht gezielt stampfend auf den Kopf" getreten. L. trug Turnschuhe.

Der Eisenflechter beteuert, er habe nicht so, wie man gegen einen Fußball trete, zugetreten. Wie denn dann, hakt die Staatsanwältin nach. "Sanft?" Ion-Gheorge L. steht plötzlich auf, stellt sich vor den Richtertisch und zeigt, wie er zugetreten haben will. "Nicht so wie ein Fußballspieler", sagt er dabei noch einmal. "Ich habe keinen Unterschied gesehen", meint Richter Norbert Riedmann. Die Tritte hatten fatale Folgen für Zeno F. Unter anderem erlitt er ein offenes Schädel-Hirn-Trauma mit Kalottenfraktur. Er musste notoperiert werden. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 18.06.2020 / sal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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