Prozess:Gefälschte Fahrkarten aus dem Design-Studio

Aslan C. erklärte, er halte den Vorsitzenden Richter und eine weitere Berufsrichterin für befangen.

Aslan C. erklärte, er halte den Vorsitzenden Richter und eine weitere Berufsrichterin für befangen.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Mit ungewöhnlicher Rollenverteilung hat eine Bande durch Ticketfälschungen Schäden in Millionenhöhe verursacht. Ein Kaufmann bestreitet vor Gericht, Chef der Gruppe zu sein.

Von Andreas Salch

Aslan C. ist von Beruf selbständiger Kaufmann und hat mit seinem "Geschäftsmodell", wie es die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage nennt, nun ja, Schiffbruch erlitten. Der 52-Jährige sitzt seit geraumer Zeit in Untersuchungshaft und muss sich von diesem Montag an vor dem Landgericht München I unter anderem wegen banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung sowie schweren Bandendiebstahls verantworten. Aslan C. soll Kopf zweier Banden gewesen sein, die in großem Stil Monatsfahrkarten des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV) und der Deutschen Bahn AG fälschten. Der Schaden wird von den Ermittlern auf maximal 9,3 Millionen Euro taxiert.

Im Mai dieses Jahres verurteilte das Landgericht München I bereits diverse Mitglieder der Fälscherbanden, darunter C.s Geliebte sowie den Inhaber eines Salzburger Design-Studios, der, den Ermittlungen zufolge "über das technische Know-How und die technische Ausstattung zur Herstellung von Monatsfahrkarten" verfügte. Und nun also Aslan C. Der 52-Jährige trägt eine Hornbrille, hat ein gepflegtes Äußeres und hat Richter Markus Koppenleitner, dem Vorsitzenden der 19. Kammer, zu Beginn des Prozesses eines gleich mitgeteilt: dass er mit dem "Verständigungsvorschlag" oder auch Deal, den ihm die Kammer für den Fall eines umfassenden Geständnisses unterbreitet hat, nicht einverstanden sei. Demnach hätte C. bei einer Verurteilung mit einer Strafe von fünf Jahren und drei bis neun Monaten Haft zu rechnen. Wie sein Verteidiger, Rechtsanwalt Andreas Schwarzer, am Rande des Prozesses sagte, will C. die Vorwürfe aus der Anklage im Großen und Ganzen einräumen - mit einer wichtigen Ausnahme, nämlich der Anschuldigung, er sei der "Kopf" der Fälscherbanden gewesen.

Weil Aslan C. befürchtet, dass das Gericht sich über seine Rolle als vermeintlicher Fälscherbandenchef schon eine Meinung gebildet hat, ließ er zum Auftakt des Prozesses und noch vor Verlesung der Anklage über seinen Anwalt erklären, dass er den Vorsitzenden und eine weitere Berufsrichterin für befangen hält. Richter Koppenleitner soll bei anderer Gelegenheit C.s Angaben in dem Fall als "Unsinn" bezeichnet haben. Deshalb könne er, so C., jetzt nicht erwarten, dass die Richter ihm glauben. Außerdem hätten beide in den Verfahren gegen seine mutmaßlichen Komplizen mitgewirkt und seien deshalb nicht mehr unvoreingenommen. Über den Antrag des Verteidigers wird die Kammer erst zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.

Aslan C. verbüßte bereits eine Haftstrafe wegen Herstellung und Vertrieb gefälschter Fahrkarten. Kaum aus dem Gefängnis entlassen, soll er im August 2013 damit weitergemacht haben. Interessant sind die Rollen, die seine mutmaßlichen Komplizen und er bei Beschaffung, Herstellung und Vertrieb der gefälschten Tickets eingenommen haben. C.s Geliebte etwa, die im Mai mit einer Bewährungsstrafe davonkam. Sie soll neben anderen dafür zuständig gewesen sein, "Rohmaterial" zu beschaffen. Dabei handelte es sich um Blankofahrkartenrollen aus Linienbussen, die später in dem Design-Studio in Salzburg mit Fahrschein-Daten bedruckt wurden. Auf einer Blankofahrkartenrolle können maximal Fahrkarten im Wert von 150 000 Euro ausgedruckt werden.

C.s Geliebte, soll, um an dieses "Rohmaterial" zu gelangen, Busfahrern 100 Euro in bar sowie eine Gewinnbeteiligung von 1000 Euro versprochen haben; oder aber hochwertige Mobiltelefone. Laut Anklage stahl Aslan C. die Smartphones entweder selbst oder besorgte sie sich über seinen Neffen. Dieser arbeitete in einem sogenannten Premium-Store eines Mobilfunkunternehmens. Gingen Busfahrer nicht auf die Offerten von C.s Geliebter ein, soll sie ihnen Sex angeboten haben. Der Prozess dauert an.

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