Prozess:Tänzerin in Stripclub gewürgt

  • Ein 25 Jahre alter Bauarbeiter steht wegen versuchten Mordes vor Gericht.
  • Der Mann hat eine Tänzerin in einem Stripclub bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt.
  • Die Frau ist wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht vernehmungsfähig.

Von Susi Wimmer

Der menschliche Körper verfügt über wichtige Schutzmechanismen, zum Beispiel jenen, dass die Psyche Geschehen verdrängt, mit denen der Mensch überfordert ist. Liana D. (Name geändert) schaffte das genau für ein Jahr. Doch vor der zweiten Strafkammer am Landgericht München I holte sie das Grauen ein: In einem Stripclub führte sie einen Lapdance auf, einen Tanz zwischen den Beinen oder auf dem Schoß von Gästen. Jan K., bei dem sie das tat, wollte offenbar mehr, und als sie dafür mehr Geld verlangte, würgte er sie für fast zwei Minuten - bis zur Bewusstlosigkeit.

Nun ist der 25 Jahre alte Bauarbeiter wegen versuchten Mordes angeklagt. Liana D. zittert, weint, dann bricht es aus ihr heraus: "Er ist es, er hat mein Leben kaputtgemacht." Dann muss ihre Vernehmung als Zeugin abgebrochen werden.

Das Tatgeschehen wird in der Anklageschrift detailliert geschildert, denn von dem Tanz im Separee gibt es eine Aufnahme. Der Club, in dem es zu dem Angriff kam, liegt an der Ledererstraße in der Innenstadt, also im Sperrbezirk. Prostitution darf dort nicht ausgeübt werden. Animierende Tänze sind erlaubt, sie werden aber überwacht.

In der Nacht auf den 27. Oktober 2018 sitzt K. alleine am Tresen, als Liana D. ihn zum Privattanz im Separee animiert. Um 3.46 Uhr hebt er vom clubeigenen Geldautomaten 110 Euro ab, beide diskutieren, ehe sich die Tänzerin für 30 Sekunden auf seinen Schoß setzt. Dann bricht sie ab, fordert mehr Geld. Um 3.56 Uhr hebt K. weitere 50 Euro ab, offenbar zu wenig.

Auf dem Video ist laut Anklage zu sehen, wie sich der 25-Jährige ans Gesicht fasst. Liana D. sitzt neben ihm auf der Couch, legt den Arm um ihn und küsst ihn. Da legt K. plötzlich seine Hände um ihren Hals, drückt sie in die Couchecke, redet auf sie ein und drückt für eine Minute und 46 Sekunden zu. Liana D. rutscht bewusstlos auf den Boden. Durch das Rumpeln wird eine Kollegin auf den Vorfall aufmerksam.

"Als ich zu schreien anfing, bewegte sich Liana, ihr Gesicht war blutverschmiert"

Keine drei Meter von dem durchsichtigen Vorhang zum Separee entfernt steht Maria C. mit ihrem Chef. Sie sieht die leblose Tänzerin am Boden liegen, da will K. auch schon im Laufschritt an ihr vorbei. "Als ich zu schreien anfing, bewegte sich Liana, ihr Gesicht war blutverschmiert", erinnert sie sich. Der Clubchef hindert K. per Bodycheck an der Flucht.

Der Angeklagte, blondes Haar, weißes Hemd, wirkt zerknirscht. Auf Anraten seines Anwalts schweigt er zur Person und zur Sache. Er hatte zur Tatzeit etwa zwei Promille Alkohol im Blut, laut Haargutachten liegt sein Alkoholkonsum "im Grenzbereich zwischen sozial verträglich" und Alkoholismus. Als Liana D. den Gerichtssaal betritt, kann er sie kaum ansehen.

Nebenklage-Anwalt Reinhard Köppe sitzt so, dass die 33-jährige Liana D. den Angeklagten nicht ansehen muss. Sie berichtet von massiven Panikzuständen, Schlaflosigkeit und der Angst vor fremden Menschen. Sie lebt in Italien, ist nicht in der Lage zu arbeiten, und "Tänzerin könnte ich nie mehr machen". Sie greift sich ständig an den Rollkragen, hippelt mit dem Fuß, dann bricht sie zusammen. Richter Norbert Riedmann kümmert sich persönlich, dass eine Gerichtsärztin Liana D. begutachtet. Die kommt zu dem Schluss, dass die 33-Jährige aufgrund ihrer posttraumatischen Belastungsstörung nicht vernehmungsfähig ist. Der Prozess wird Ende Oktober fortgesetzt.

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