Prozess:Urteil gegen Münchner Arzt wegen Siegelbruchs rechtskräftig

Prozess: Otto Z. entschied sich im Verfahren vor dem Landgericht München, die Berufung zurückzuziehen.

Otto Z. entschied sich im Verfahren vor dem Landgericht München, die Berufung zurückzuziehen.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Staatsanwaltschaft ermittelt in der Plagiatsaffäre um den Rechtsmediziner Matthias Graw gegen Otto Z. Vor Gericht ging es nun jedoch um etwas anderes.

Von Hanno Charisius

Zweiter Verhandlungstag im Berufungsverfahren gegen den Münchner Arzt Otto Z., der ein polizeiliches Verschlusssiegel an einer Wohnungstür gebrochen haben soll: Man kann sicher nicht behaupten, dass es voll war am Donnerstag im Saal B 162 des Münchner Landgerichts. Dass aber eine gute Handvoll Pressevertreter zu so einem Anlass anrücken, ist doch eher ungewöhnlich.

Zwar sagte Richterin Susanne Hemmerich bereits zu Beginn klar, dass es hier nur um den Siegelbruch gehen würde, den der Angeklagte Otto Z. nach Auffassung des Gerichts im Frühsommer 2020 begangen hat und nicht um "das andere Verfahren". Doch genau dieses andere Verfahren, das erregt Aufmerksamkeit. Da ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft gegen Z. in der Plagiatsaffäre um den Rechtsmediziner Matthias Graw. Ein spektakulärer Fall - aber eben nicht für diesen Donnerstag.

Stattdessen also Siegelbruch: Nachdem am 17. Juni 2020 die Mutter des Angeklagten in der gemeinsam bewohnten Wohnung gestorben war, rief das von Z. beauftragte Bestattungsunternehmen die Polizei hinzu, die zunächst an einem natürlichen Ableben der Mutter zweifelte und eine Untersuchung des Leichnams in der Rechtsmedizin veranlasste. Zur späteren Beweissicherung versiegelte der Kriminaldauerdienst die Wohnung gut sichtbar mit einem Aufkleber über dem Schloss. Am 19. Juni kehrte Z. laut Anklage dennoch in die Wohnung zurück.

Der Fall wurde zunächst am Amtsgericht verhandelt und Z. dort zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt. Doch Z. legte Berufung ein. Den ersten Verhandlungstag des Berufungsverfahrens am Landgericht beendete Richterin Hemmerich mit der Beauftragung von Gutachten zur Gesundheit und psychischen Verfassung des Angeklagten. Die Sachverständigen waren am Donnerstag zum zweiten Verhandlungstag in zweiter Instanz auch im Saal, als die Richterin immer wieder an den Angeklagten appellierte, doch endlich für Rechtsfrieden zu sorgen und die Berufung zurückzuziehen. Sie sehe keinen Grund, zu einem anderen Strafmaß zu finden, da sich seit der Verhandlung vorm Amtsgericht keine neuen Sachverhalte ergeben hätten. Doch werde sie das Verfahren natürlich weiter führen, wenn Z. es denn unbedingt wolle.

Die Anwältin des angeklagten Arztes sagte, sie sei zu dieser Mandatschaft "ein bisschen wie die Jungfrau zum Kinde" gekommen. Mehrmals betonte sie die besondere "persönliche Belastung", unter der ihr Mandant nach dem Tod der Mutter gestanden habe, mit der er zusammen lebte. In den vorherigen Verhandlungen war Z. noch von einer anderen Kanzlei vertreten worden. Ursprünglich stand auch versuchter Betrug im Raum, doch die Staatsanwaltschaft reduzierte die Anklage schließlich auf den Siegelbruch.

Doch bevor der Verhandlungstag richtig gestartet war, endete er auch schon. Etwa eine halbe Stunde nach Sitzungsbeginn und einer Pause entschied Z. nach Besprechung mit seiner Anwältin, die Berufung zurückzuziehen. Damit wird das erste Urteil des Amtsgerichts rechtskräftig. Für ihren Mandanten erklärt die Anwältin von Z., dass was ihm nach dem Tod seiner Mutter widerfahren sei, so schlimm war, dass er es nicht habe hinnehmen wollen. Für die Richterin "ist damit die Sache erledigt".

Ein 400-seitiger Tagungsband - womöglich gefälscht, um Graws Ruf zu schädigen

Was nicht bedeutet, dass es für Z. juristisch nicht noch viel unbequemer werden könnte. Die Münchner Staatsanwaltschaft führt gegen den 68-Jährigen ein Verfahren wegen Urkundenfälschung, Verleumdung, Urheberrechtsverletzung und Betrugs. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, ob Anklage erhoben wird, ist offen.

Es geht dabei um den Verdacht, dass Z. einen gefälschten wissenschaftlichen Sammelband in Umlauf gebracht haben könnte, um den Vorstand der Rechtsmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), Matthias Graw, in Verruf zu bringen. Im vergangenen Juli hatten zwei Plagiats-Experten Vorwürfe gegen Graw erhoben, er habe in seiner Doktorarbeit 1987 Textpassagen und Datenreihen aus einem rumänischen Tagungsband übernommen, der laut Impressum Anfang der 1980er-Jahre gedruckt worden war. Im Oktober mehrten sich die Hinweise, dass der gut 400-seitige Tagungsband eine Fälschung ist und womöglich mit großem Aufwand mit dem Ziel verfasst wurde, Graws Ruf zu schädigen.

Laut Medienberichten soll Z. die beiden Plagiats-Experten beauftragt haben und spielte ihnen auch den fabrizierten Sammelband zu. Wahrscheinlich war es bereits vor der Plagiatsaffäre zwischen Z. und dem Vorstand der Rechtsmedizin zur Auseinandersetzung gekommen. Die Bild hatte im August berichtet, dass Z. der Münchner Rechtsmedizin vorwerfe, dort sei ein Goldzahn seiner verstorbenen Mutter verschwunden. Graw erklärte, ein Goldzahn sei in der Rechtsmedizin weder entnommen noch asserviert worden.

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