Prozess in München:Ein Stich in den Bauch

Wegen versuchten Totschlags muss sich ein Obst- und Gemüsehändler vor dem Landgericht verantworten.

Andreas Salch

Ruhi I. zieht erst einmal sein dunkelblaues Sakko aus. Er wird sich jetzt gleich ziemlich verrenken, um den Richtern des Schwurgerichts am Landgericht München I zeigen zu können, wie das angeblich war in den frühen Morgenstunden des 21. Juli vergangenen Jahres. Glaubt man Ruhi I., hatte der Koch eines Lokals in Berg am Laim ihm bei einem Streit ein Küchenhackbeil an die Kehle gedrückt. In dieser Situation, so zeigt es I. den Richtern und den Schöffen, habe er mit seinem rechten Arm weit ausgeholt und in seine linke Gesäßtasche gegriffen. Darin steckte ein Messer mit einer zehn Zentimeter langen feststehenden Klinge. Beim Ziehen des Messers und beim Ausholen sei es dann irgendwie passiert, meint Ruhi, ein 43-jähriger Obst- und Gemüsehändler, gegen den Staatsanwaltschaft Anklage wegen versuchten Totschlags erhoben hat. Ruhi I. versetzte seinem Kontrahenten einen Stich in den Bauch.

Und das aus einer solchen Position? Ungläubige Gesichter beim Vorsitzenden und den anderen Prozessbeteiligten. "Wie soll es da zu Verletzungen am Bauch kommen", fragt Richter Norbert Riedmann den Angeklagten. "Ich habe nicht einmal gefühlt, dass ich ihn getroffen habe", beteuert Ruhi I. Verwunderlich ist auch, dass der 43-Jährige überhaupt noch in der Lage gewesen sein will, koordinierte Bewegungen auszuführen.

Denn bis zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung am Morgen des 21. Juli 2019 will Ruhi I. nicht weniger als 2,5 Liter Ouzo getrunken haben. Das entspräche elf bis 14 Promille hält ihm ein rechtsmedizinischer Sachverständiger vor und fragt: "Wollen Sie das noch mal überdenken?" Der Obst- und Gemüsehändler bleibt aber bei seiner Angabe. Er habe vor der Tat "täglich Minimum 0,5 Liter Ouzo" getrunken. Nachdem er von einer Streife kurz nach der mutmaßlichen Tat vorläufig festgenommen worden war, hatte Ruhi eine Blutalkoholkonzentration von etwa einem Promille. Der Test sei eben fehlerhaft, "mit Sicherheit", sagt er zu Richter Riedmann.

Auslöser für die Messerattacke auf den Koch, die Ruhi I. in einer Erklärung über seinen Verteidiger Ernst Gupta Santosh einräumt, war eine Bagatelle. Der 43-Jährige sieht das heute selbst auch so. Es war gegen 3 Uhr morgens, als I. mit zwei Freundinnen in das Lokal gehen wollte, in dem das mutmaßliche Opfer als Koch arbeitet. Dieser und ein Türsteher verwehrten den drei Nachtschwärmern den Zutritt. Laut Anklage deshalb, weil der Obst- und Gemüsehändler stark betrunken war. Ruhi I. habe hierauf "ungehalten" reagiert und sich "vor seinen Begleiterinnen gedemütigt" gefühlt, sei daraufhin gegangen und habe angekündigt, "dass er das Lokal auseinandernehmen werde".

Gegen halb sechs Uhr kam I. zurück. Die circa vier Kilometer lange Strecke zwischen seinem Zuhause und dem Lokal legte er mit seinem Mercedes E 350 zurück. Er habe Mühe gehabt die Spur zu halten, räumt der 43-Jährige ein. Als er auf den Koch traf, der neben anderen Mitarbeitern noch immer im Lokal war, eskalierte der Streit sofort. Die Version, die Ruhi I. dem Gericht liefert, steht im Widerspruch zur Anklage. Den Ermittlungen zufolge soll nämlich er dem Koch das Hackbeil an den Hals gedrückt haben. Der Prozess dauert an.

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