Prozess in München:Streit wegen Ed-Sheeran-Lied eskaliert

  • Mohamed E. ist vor dem Landgericht München I wegen versuchten Totschlags angeklagt. Er soll einem Bewusstlosen gegen den Kopf getreten haben.
  • Der Streit zwischen dem Angeklagten und dem Opfer begann wegen eines Lieds von Ed Sheeran.

Von Susi Wimmer

Am Ende soll Mohamed E. so wuchtig gegen den Kopf des bewusstlosen Opfers getreten haben, dass sich dieser vom Boden abhob. Blutüberströmt und mit zertrümmerten Knochen im Gesicht ließ der 44-Jährige den Mann in jener Februarnacht im Hauptbahnhof vor der Ladenzeile "Genusswelten Rubenbauer" liegen. Jetzt ist Mohamed E. angeklagt vor dem Landgericht München I wegen versuchten Totschlags. Und das alles wegen eines Lieds von Ed Sheeran.

Mohamed E. wirkt auf der Anklagebank eher wie ein gemächlicher Typ, korpulent, graues Haar, mit einer dicken Silberkette um den Hals und Fingern, die unablässig die Holzperlen einer Gebetskette abtasten. Der 44-Jährige, der bei einem Sicherheitsdienst arbeitete, ist Stammgast im Goethe-Pub in der gleichnamigen Straße, oder besser gesagt, er war es. Denn seit dem Vorfall am 24. Februar dieses Jahres sitzt er in Untersuchungshaft. Neben ihm auf der Anklagebank hat der immer höflich lächelnde Ratnam R. Platz genommen. Dem 47-Jährigen wird Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung vorgeworfen. Nach seiner Aussage vor der zweiten Strafkammer schaut er nicht mehr ganz so freundlich drein.

Wie gesagt, man kannte sich im Goethe-Pub, und als Mohamed E. etwa sechs Bier und einen Wodka intus hatte, bestellte er gegen Mitternacht beim Barkeeper sein Lieblingslied von Ed Sheeran und tanzte dazu. Das erregte den Ärger eines 34-Jährigen. "Was ist das für eine Scheißmusik", soll er laut Mohamed E. geflucht haben. Er wolle lieber Musik aus seiner Heimat Eritrea hören. Dem verbalen Streit, so erzählte es E. über seinen Anwalt Maximilian Richter vor Gericht, soll die Aufforderung: "Wenn du ein Mann bist und Eier hast, komm raus", gefolgt sein. Draußen vor der Türe habe der andere ihm eine Bierflasche auf den Kopf geschlagen. E. erlitt eine Platzwunde und ging zurück ins Pub, um sich auf der Toilette das Blut abzuwaschen. "Ich war sauer", räumte er ein.

Er sei wieder aus dem Pub gekommen und habe seinen Bekannten Ratnam R., der vor der Türe stand, gefragt, in welche Richtung der Mann mit seinem Kumpel gegangen sei. R. deutete zum Hauptbahnhof, und gemeinsam sei man ihnen gefolgt. "Ich wollte schlichten", behauptete Ratnam R. vor Gericht. "Warum haben Sie Mohamed E. dann überhaupt gesagt, in welche Richtung die anderen weggegangen sind", hält ihm der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann entgegen. Im Hauptbahnhof trafen die vier Männer gegen 0.45 Uhr schließlich aufeinander. Und hier weichen die Versionen der Betroffenen erheblich voneinander ab. Während Staatsanwalt Laurent Lafleur in seiner Anklage davon ausgeht, dass der 34-Jährige sich für den Flaschenschlag entschuldigte und Mohamed E. ihn trotzdem angriff, behauptete Mohamed E., der andere habe erneut mit einer Flasche zuschlagen wollen.

E. soll seinem Kontrahenten einen Kopfstoß versetzt, ihm in die Beine geprügelt haben, sodass er zu Boden ging, und dann mit voller Wucht gegen dessen Kopf getreten haben. Bereits nach einem Schlag, so Lafleur, soll das Opfer bewusstlos gewesen sein, trotzdem soll E. noch dreimal zugetreten haben. Dieses Verhalten sei ihm "bis heute unerklärlich", sagte Mohamed E. vor Gericht. Er habe Alkohol getrunken und sich hinreißen lassen. Eigentlich habe er nur wissen wollen, warum ihn der andere zuvor geschlagen hatte. Und: "Ich habe mich bei ihm entschuldigt."

Welche Rolle Ratnam R. in dieser Nacht gespielt hat, bleibt unklar. Er soll den Begleiter des Opfers weggeschoben haben, "damit dieser nicht zu Hilfe kommen konnte", meinte Lafleur. E. erzählte, dass Ratnam R. nach den Prügeln noch zu dem Bewusstlosen hin wollte. "Ich hab' ihm gesagt, er solle das lassen, der liegt ja eh schon am Boden." Ratnam R., der wegen Körperverletzung eine offene Bewährung hat, widerspricht sich bei seinen Aussagen, was auch der schleppenden Übersetzung des Dolmetschers geschuldet sein könnte. Und so rät ihm sein Anwalt Christian Gerber, erst mal keine Fragen mehr zu beantworten. Das Opfer, das etliche Brüche im Gesicht sowie ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt, soll am nächsten Verhandlungstag aussagen. Außerdem wird das Gericht das Video aus der Überwachungskamera, auf dem die Tat zu sehen ist, abspielen.

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