Prozess in München:Paradiesvogel gibt sich als Polizist aus

Lesezeit: 2 min

  • Lorenz W. hat sich als Polizist ausgegeben und einen Bekannten spaßeshalber "verhaftet".
  • Vor Gericht sagt der Angeklagte, das Ganze sei als Sketch gedacht gewesen, die Justiz solle "etwas mehr Humor haben".
  • Das Amtsgericht verurteilt ihn zu 80 Tagessätzen à 15 Euro.

Von Andreas Salch

Lorenz W. versteht die Aufregung bis heute nicht. Er hat einen Strafbefehl unter anderem wegen Amtsanmaßung erhalten, weil er sich im Mai vergangenen Jahres in der U-Bahnstation Sendlinger Tor als Polizist ausgegeben hat. Das Ganze sei aber nur ein "Sketch" gewesen, ein "Improvisations-Theaterstück, das halt missverstanden" worden sei, erläutert W. am Donnerstagmorgen dem Amtsrichter. Er sei auf dem Weg zu einem "Buddha-Fest" im Englischen Garten gewesen. Als er unter den Wartenden U-Bahnfahrgästen seinen Bekannten Peter H. gesehen habe, sei ihm die Idee gekommen "einen Sketch zu spielen".

Zeugen zufolge soll Lorenz W. den 58-Jährigen plötzlich von hinten gepackt und laut gerufen haben: "Sie sind ein gesuchter Sexualstraftäter!" Eine Frau hatte daraufhin den Angeklagten aufgefordert, den Mann sofort loszulassen, sonst werde sie die Polizei rufen. Denn als Polizist sei Lorenz W. "nicht authentisch" rübergekommen, berichtet die Zeugin dem Richter. Kein Wunder. Lorenz W. trug an jenem Nachmittag eine orange Mönchskutte. Ob sein "Outfit" sie nicht "auf den Gedanken gebracht" habe, dass es sich um ein "Theaterstück" handle, fragt W. die Zeugin. "Nee", lautet ihre Antwort.

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Lorenz W., 56, ist von Beruf eigentlich Diplomingenieur, lebt aber von Hartz IV und betrachtet sich als Künstler. Er male, singe, spiele Musik und trete "ganz sporadisch" mit seinem Partner Peter H. auf der Straße auf. Dies sorge "immer für Verblüffung" unter Passaten. Warum er den alarmierten Polizisten das nicht gesagt habe, will der Richter wissen. "Ich hatte keine Lust dazu", meint der Angeklagte, der von sich sagt, er sei eben ein "Paradiesvogel".

So erscheint Lorenz W. auch vor dem Amtsgericht: auf dem Kopf eine schrille blonde Bobperücke, blaue Lidschatten, blaue Sonnenbrille, rosafarbenes Kleid mit Pailletten, schwarzer Rock, samtene rote Handschuhe und dick aufgetragener roter Lippenstift. Lorenz W. fällt auf. Sein Outfit gefällt nicht jedem. Er ziehe dadurch auch Aggressionen auf sich, sagt der 56-Jährige. Wenn er dann zur Polizei gehe, werde ihm immer gesagt, es sei doch nicht so schlimm gewesen. "Aber wenn ein Staatsorgan eine Anzeige macht, wird's verfolgt. Das wollte ich gerne mal gesagt haben", stellt der Aktionskünstler verbittert fest. In der U-Bahn habe er sogar schon einen König gespielt, sagt Lorenz W. Das hätten die Leute ihm auch geglaubt. "Das ist auch keine Amtsanmaßung", erklärt der Staatsanwalt.

Peter H., der vermeintliche Sexualstraftäter, sagt, "ähnliche Dinge" wie am Sendlinger Tor habe er mit dem Angeklagten schon öfters erlebt. Die Aktion sei nicht abgesprochen gewesen. W. sei wie "ein Tsunami" über ihn gekommen. "Ich hatte Bedenken, ob das eine Störung des öffentlichen Friedens ist", sagt Peter H. Er habe gleich ein "ungutes Bauchgefühl" gehabt und gedacht, das "könnte schwierig sein, wenn W. sich als Polizist ausgibt". Also kein Sketch, kein "Improvisations-Theaterstück", wie Lorenz W. behauptet. Peter H. war, nachdem ihn sein Bekannter wieder losgelassen hatte, wortlos weitergegangen. Denn wenn er sich gewehrt hätte, hätte W. "noch eins draufgesetzt".

Lorenz W. erscheint ohne Anwalt vor Gericht. In seinem Plädoyer sagt er unter anderem: "Die Justiz sollte etwas mehr Humor haben." Überdies halte er sich für eine "förderungswürdige künstlerische Persönlichkeit, auf die München stolz sein sollte". Er beantrage einen Freispruch. Der Staatsanwalt fordert 90 Tagessätze á 15 Euro. Der Richter beließ es bei 80 Tagessätzen und sagt, die Kunstfreiheit finde dort ihre Grenzen, wo sie die öffentliche Sicherheit beeinträchtige.

© SZ vom 13.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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