Vor Gericht:Falscher Anwalt wird verurteilt

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Der Angeklagte muss Einkünfte in Höhe von 325 000 Euro zurückbezahlen. Aufgeflogen war der Studienabbrecher durch einen Fehler in seinen gefälschten Zeugnissen.

Von Andreas Salch

Nicht selten bieten Verhandlungen vor einem Strafgericht tiefe Einblicke in die Schwächen der menschlichen Seele. So auch im vorliegenden Fall, in dem sich ein Student, der sein Jurastudium nach sechs Semestern abbrach, später jedoch als Rechtsanwalt ausgab und sehr, sehr viel Geld verdiente - es wäre der Stoff für eine Novelle.

Jetzt wurde der inzwischen 35-Jährige vor einem Schöffengericht am Amtsgericht München unter anderem wegen Urkundenfälschung in 22 Fällen zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Zu knabbern haben aber dürfte der Angeklagte daran, dass das Gericht überdies anordnete, dass er seine ergaunerten Einkünfte zurückbezahlen muss. 325 642 Euro.

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Nach seinem abgebrochenen Studium hatte der Mann zunächst eine Stelle in einem Münchner Notariat angetreten. Dort fälschte er ab November 2015 Beglaubigungen juristischer Staatsexamenszeugnisse und gab sich für das Erste und Zweite Examen jeweils Prädikatsnoten. Die Fälschungen legte er anschließend der Rechtsanwaltskammer vor, um eine Zulassung als Rechtsanwalt zu erhalten. Das klappte.

Als erste Station für seine Karriere wählte sich der Angeklagte eine angesehene Großkanzlei aus, wo er zwischen April 2016 und März 2018 ein Bruttogehalt von rund 193 000 Euro erhielt. Da man seine Leistungen in der Großkanzlei kritisch bewertete, kündigte der falsche Anwalt kurzerhand und suchte sich einen neuen Job. Dabei war er durchaus wählerisch. Zwei Angebote mit einem Anfangsgehalt von 75 0000 beziehungsweise 100 000 Euro schlug er selbstbewusst aus. Schließlich unterschrieb er bei einem großen Versicherungsunternehmen. Dort verdiente er als Syndikus im Bereich Unternehmensrecht zwischen April 2018 und September 2019 brutto 132 600 Euro.

"Ich würde mich als arroganten hochnäsigen Mitarbeiter beschreiben"

Der Arbeitgeber war übrigens mit den Leistungen des vermeintlichen Rechtsanwalts vollauf zufrieden - nicht aber der mit den ihm angebotenen Entwicklungschancen. Der betrügerische Jurist suchte kurzum einen neue Stelle und fing am 1. Januar dieses Jahres bei einer Kanzlei an, die ihm ein Anfangsgehalt von 120 000 Euro jährlich zahlte.

Beim Fälschen der Examina war dem Studienabbrecher jedoch ein gravierender Fehler unterlaufen. Seinem neuen Arbeitgeber fiel nach einiger Zeit auf, dass die Examina am Pfingstmontag 2015 ausgestellt worden waren, einem Feiertag also. Da das schlecht sein konnte, erkundigte sich die Kanzlei beim Justizprüfungsamt. Jetzt flog der dreiste Schwindel auf.

In der Verhandlung vor dem Schöffengericht machte der 35-Jährige reinen Tisch. "Ich würde mich als arroganten hochnäsigen Mitarbeiter beschreiben", räumte er freimütig ein und versicherte, dass das Geld nicht die Triebfeder seines Handelns gewesen sei. Sondern vielmehr "die Unfassbarkeit, dass ich trotz meiner fehlenden juristischen Ausbildung so gut vorankam." In seinem letzten Wort vor der Urteilsverkündung kündigte der 35-Jährige an: "Ich werde mein Leben lang Buße tun." In seinem Urteil hielt das Schöffengericht dem Angeklagten zugute, dass er von Beginn der Ermittlungen an "vollumfänglich geständig" war.

Ebenso berücksichtigte es eine psychische Erkrankung des 35-Jährigen, die "ihre Basis bereits in den familiären Umständen findet." Zu Lasten wertete der zuständige Richter indes den hohen Schaden, der durch die Gehaltszahlungen entstanden ist. Der 35-Jährige arbeitet inzwischen als Azubi im Handwerk. Und das hat ja angeblich auch goldenen Boden. Das Urteil (Az. 823 Ls 231 Js 185686/19) ist noch nicht rechtskräftig.

© SZ vom 07.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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