Prozessauftakt:Brutale Schläge und ein Schuss

Um eine größere Menge Kokain zu rauben, sollen vier Angeklagte einen 17-Jährigen verprügelt und ihm in den Bauch geschossen haben. Nun müssen sie sich vor der Jugendkammer wegen versuchten Mordes verantworten.

Von Andreas Salch

Es ging angeblich um eine größere Menge Kokain, und die Angeklagten, fünf junge Männer im Alter zwischen 17 und 24 Jahren, sollen es darauf abgesehen haben. Von diesem Donnerstag an müssen sie sich vor der Großen Jugendkammer am Landgericht München I verantworten. Denn um an das Kokain zu kommen, das sich im Besitz eines 17-Jährigen befunden haben soll, sollen sie laut Staatsanwaltschaft sogar dessen Tod billigend in Kauf genommen haben.

Am frühen Abend des 13. Januar 2022 drangen vier der fünf Angeklagten bewaffnet mit Aluminiumstangen und einer Schusswaffe in eine Wohnung in Milbertshofen ein. Über einen ihrer Komplizen, einen 24-Jährigen, der mit auf der Anklagebank sitzt, hatten sie erfahren, dass sich ihr mutmaßliches Opfer in der Wohnung aufhielt. Schon geraume Zeit vor der Tat soll der 24-Jährige mit einem der Angeklagten in Verbindung gestanden und ihm versprochen haben, dass er ihn sofort informieren werde, sobald er wisse, wo sich der 17-Jährige befinde.

Der 24-Jährige hielt Wort. Am späten Vormittag jenes 13. Januar meldete er sich bei einem der Angeklagten. Er wisse, dass der 17-Jährige im Besitz einer größeren Menge Kokain sei, soll er am Telefon gesagt haben. Laut Anklage verständigten sich die zwei jungen Männer in dem Gespräch darauf, dass "diese Gelegenheit heute genutzt werden" müsse. Am frühen Abend gegen 18.30 Uhr klingelten vier der Angeklagten an der Wohnung in Milbertshofen, in der sich der 17-Jährige zu diesem Zeitpunkt aufhielt.

Ihr mutmaßlicher Komplize, von dem sie den Hinweis erhalten hatten, öffnete. Er hatte sich zuvor mit dem 17-Jährigen und einem weiteren Mann wegen angeblicher Drogengeschäfte in der Wohnung verabredet. Kurz nachdem der 24-Jährige die vier Mitangeklagten hereingelassen hatte, sollen drei von ihnen mit den mitgebrachten Aluminiumstangen so brachial auf den 17-Jährigen eingeschlagen haben, dass sich die Alustangen verbogen. Der vierte Täter soll währenddessen mit einer Schusswaffe dem 17-Jährigen in den Unterbauch geschossen haben. Anschließend flüchteten die Angeklagten.

Ihr mutmaßliches Opfer ließen sie schwer verletzt zurück. Der 17-Jährige überlebte die Attacke nur dank einer Notoperation im Klinikum Schwabing. Wenige Tage nach der Tat gelang es der Polizei, zunächst zwei der fünf Jugendlichen festzunehmen. Einer der beiden Festgenommenen, ein 20-Jähriger, soll den Schuss abgefeuert haben. Die Staatsanwaltschaft legt ihm und drei weiteren Angeklagten gemeinschaftlichen versuchten Mord zur Last. Der 24-jährige Informant muss sich wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung verantworten. Zum Auftakt der Verhandlung machte keiner der Jugendlichen Angaben. Der Prozess wird fortgesetzt.

Zur SZ-Startseite
Koks Teaserbild

SZ PlusMünchens Polizei und das Koks
:Auf der dunklen Seite der Nacht

Polizisten, die Kokain kaufen und aufs Oktoberfest schmuggeln, den Hitlergruß zeigen und sich auf die Jagd nach Opfern machen. Einblicke in die Abgründe des größten Polizeiskandals in München - ausgezeichnet als Top-10-Stück beim Deutschen Lokaljournalistenpreis.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: