Drogen-Razzia in München:"Extrem hoher Kokswert" auf der Dienststelle

Kokain

Im Zentrum des Skandals: Kokain.

(Foto: Christian Charisius/dpa)
  • Mutmaßlicher Rabatt auf Kokain für Polizisten - und ein weitergehender Verdacht: Der Drogen-Skandal um Münchner Polizeibeamte weitet sich womöglich aus.
  • Nach Angaben eines Ermittlers des Landeskriminalamtes sollen die Polizisten nicht nur Drogen gekauft und konsumiert zu haben.
  • Sie stehen auch unter Verdacht, Kokain weitergegeben zu haben.

Von Susi Wimmer

Der Skandal um koksende Polizisten und Drogenlieferungen in die noble Münchner Nachtclub-Szene weitet sich aus: Am Dienstag ließ die Staatsanwaltschaft sieben weitere Objekte durchsuchen, darunter die Wohnung des ehemaligen Bayern-Spielers Christian Lell.* Die Beamten nahmen zudem einen 31-jährigen Manager wegen Drogenverdachts fest. Und einem 29-Jährigen, der am Dienstag im Amtsgericht als Zeuge geladen war, erklärte Staatsanwalt Jakob Schmidkonz, dass er gleich dableiben könne: "Sie werden heute festgenommen." Ein Ende des Skandals ist wohl noch nicht abzusehen.

Wie der Großdealer Stefan H. (Name von der Redaktion geändert) beim Landeskriminalamt aussagte, "konsumieren, verkaufen und kaufen in München bis zu 20 Polizisten Kokain". In einer Großstadt wie München, so kommentierte ein interner Ermittler des LKA vor Gericht, sei dies nicht auszuschließen. Der interne Ermittler berichtet von zwei Polizisten der Neuhauser Inspektion, die man als erste identifizieren konnte, dazu noch einen Kollegen, der mal bei den Rauschgiftfahndern gearbeitet habe. Aus einem Handy hätten sich weitere Kontakte ergeben, offenbar waren die Beamten miteinander befreundet. Ein Beamter wurde auf der Dienststelle angetroffen und zur Blutentnahme begleitet, bei ihm sei ein "extrem hoher Kokswert" festgestellt worden. Bis auf einen Beamten, der alle Vorwürfe bestreite, hätten alle die Aussage verweigert, berichtet der Ermittler.

Das Landeskriminalamt hat bislang interne Ermittlungen gegen acht Polizisten bestätigt. Die Beamten sollen Spezialpreise bei Stefan H. erhalten haben, im Gegenzug sollten sie ihn schützen. Ob die Polizisten tatsächlich auch mit Koks gedealt haben, will Oberstaatsanwältin Anne Leiding mit Verweis auf laufende Ermittlungen nicht bestätigen. Wie der Leiter der Arbeitsgruppe "Nachtleben" vor Gericht erzählt, sei der Dealer Stefan H. tatsächlich einmal auf der Sonnenstraße in eine Polizeikontrolle geraten, bei der ein uniformierter Abnehmer von H. mit dabei war und versucht habe, "das gerade zu biegen".

Stefan H., 37, Kfz-Mechantroniker und laut seinen Aussagen ehemaliger Kokain-Großdealer ging der Polizei eher zufällig ins Netz: Weil er im April 2018 im Drogenrausch einen Unfall verursachte. Er packte nach und nach aus, wohlwissend, dass er dadurch in den Genuss einer Strafmilderung kommen kann. Das Betäubungsmittelgesetz hat dies im Paragrafen 31 geregelt. "Ja", sagt der Abteilungsleiter der AG "Nachtleben", "das muss man schon abschätzen, ob bei unseren Einunddreißigern nur heiße Luft rauskommt". Bei Stefan H. allerdings habe sich alles bestätigt, was die Polizei nachprüfen konnte. Und so sind die Ermittler bis heute beschäftigt, das Kokain-Drogennetz zu entwirren.

Dabei tauchte auch ein Mark B. auf, auf dessen Handy sich Chats mit dem ehemaligen Fußballspieler Christian Lell befanden, als dieser laut Ermittlungen das Hearthouse am Lenbachplatz besuchte. Darin fragt Mark B. Lell, ob er "sich frisch machen will", was laut dem Ermittler als Synonym für Koks konsumieren stehe. Am Dienstag führte die Polizei eine Durchsuchung bei Lell durch, "es wurde nichts gefunden", sagt er selbst der SZ.* Er verstehe nicht, dass er diffamiert werde, "das ist so belastend für meine Familie". Lell war bereits 2018 vom Amtsgericht wegen Drogenbesitzes verurteilt worden.

All diese Drogengeschichten kommen durch Zeugenaussagen ans Tageslicht, weil das Amtsgericht aktuell gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Hearthouse wegen Drogenhandels und Drogenerwerbs zu Gericht sitzt. Ein Urteil wurde noch nicht gesprochen.

*Anmerkung der Redaktion: Ein Ermittlungsverfahren wegen Vergehens nach § 29 BtMG gegen Herrn Lell wurde am 24.03.2020 mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.

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