„Vielleicht ist ihm die Kugel ausgekommen“, sagt Hermann T. (Name geändert) lapidar mit einem Schulterzucken. Die „ausgekommene“ Stahlkugel aus der Softair-Pistole jedenfalls drang in seinen Unterschenkel ein, und der Schütze habe sie ihm wieder „rausgepult“, berichtet das Opfer mit unterdrücktem Glucksen. Es sind skurrile Szenen, die sich am Amtsgericht München abspielen. Den Geschädigten scheint die Kugel in seinem Bein nicht sonderlich zu interessieren – und der Schütze erinnert sich aufgrund seiner damaligen Crack-Sucht wenig an den Vorfall.
Vor Gericht steht Daniel S., 42 Jahre alt, gelernter Koch, aktuell so eine Art Hausmeister in einer Pension in Aubing, in der Männer ohne Obdach leben. Bereits vor 14 Jahren hatte die Polizei in Hamburg ein Waffenbesitzverbot gegen ihn ausgesprochen, das er schon vor acht Jahren missachtet hatte. Als die Richterin ihn dann auch noch mit den Worten „na, dann schießen Sie mal los“ zur Aussage auffordert, zuckt er doch etwas zusammen.
Es geht um den 29. November des vergangenen Jahres, als Daniel S. im Garten der Pension in der Brunhamstraße stand und mit einer CO₂-Waffe, wie er sagt, auf eine Zielscheibe schoss. Zudem, so die Anklageschrift, befand sich auch noch eine Armbrust mit Pfeilen in seinem Besitz. „Ich wusste nicht, dass die alle unter dieses Besitzverbot fallen“, behauptet er. Ohnehin habe er zu der Zeit viel vergessen, „wegen dem Crack“.
Er zielte also mit der Waffe, die mit Stahlkugeln geladen war, auf die Zielscheibe. „Das mache ich, wenn ich Frust habe, zum Abschalten.“ Er wollte sich ja auch schon mal im Schützenverein anmelden. Jedenfalls stand zu der Zeit ein Pensionsbewohner „am Maschendrahtzaun ums Eck rum beim Gartentor“, berichtet S. Er habe sicher nicht mutwillig auf den Mann geschossen.
Ein Zeuge berichtet, dass Daniel S. und den Geschädigten „eine Hassliebe“ verbunden habe. Zumal das Opfer früher dem Alkohol ganz und gar nicht abgeneigt gewesen sei „und viele genervt hat“. Es sei auch vorgekommen, dass Daniel S. den Geschädigten mit der flachen Hand oder der Faust geschlagen habe.
Vor Gericht rudert Daniel S. mit den Armen und zeigt den Winkel an, wo er hingezielt habe – und wo das Opfer stand. „Ich konnte ihn gar nicht treffen“, versichert er. Er könne sich das Ganze nur so erklären, dass die Kugel irgendwo abgeprallt sei. Er habe die Stahlkugel aus der Wade „gepult“ und ein Pflaster auf die Wunde geklebt. Ein Zeuge erzählt, die Stimmung zwischen den beiden sei „fast belustigt“ gewesen. „Der hat mir ins Bein geschossen“, soll das Opfer alles andere als böse berichtet haben.
Tatsächlich knurrt der 48-Jährige am Anfang seiner Befragung die Richterin nur an: „Ich hatte ’ne Kugel im Bein. Warum, das müssen Sie ihn fragen“, und nickt in Richtung des Angeklagten. Dass es Absicht war, könne er sich nicht vorstellen, „er hat sich entschuldigt und sie rausgemacht“. Dann muss er sich ein Lachen verkneifen. Ganz so heiter sieht das Gericht die Sache nicht und verurteilt S. unter anderem wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 360 Euro.