Süddeutsche Zeitung

Prozess in München:HIV-Infizierter beißt absichtlich Mann im Glockenbachviertel

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Das Opfer erleidet nach der Tat mehrere Panikattacken - weil es befürchtet, infiziert worden zu sein. Beim Prozess bestreitet der Angeklagte vehement den Vorwurf.

Von Susi Wimmer

"Ich habe zu der Zeit auf meine Zahnprothese gewartet. Mein Gebiss war nicht vollständig. Ich habe nicht zugebissen", versichert der Angeklagte vehement. Beißen oder nicht beißen, das war vor dem Amtsgericht München nur eine der Fragen. Die andere Frage war, ob die Auseinandersetzung in einer Bar im Gärtnerplatzviertel für das Opfer verheerende Folgen hätte haben können. Denn der Täter trägt und trug zur Tatzeit das HI-Virus in sich.

Es war schon zu späterer Stunde, gegen 2 Uhr, als der 25 Jahre alte Verkäufer aus dem Raum Dillingen im März vergangenen Jahres in einer Kneipe in der Müllerstraße mit einem Mann in Streit geriet. "Hurensohn" und "Wichser" beschimpfte der Dillinger das spätere Opfer, so steht es in der Presseerklärung des Amtsgerichts München zu diesem Fall. Und dann kam es zum Gerangel. Beide Männer befanden sich in männlicher Begleitung, es soll gegenseitig geschubst und geschlägert worden sein, was sich aber vor Gericht nicht mehr auseinanderdividieren ließ und auch nicht durch Spuren zu beweisen war. Relevant war da eher, dass der Verkäufer im Eifer des Gefechtes den anderen ins Handgelenk biss.

Die Zahnabdrücke an sich waren dabei nicht das Problem. "Aber ich kannte den Angeklagten", schildert das Opfer vor Gericht. Der habe im Vorfeld schon immer erzählt, dass er HIV-positiv sei, dass er deshalb Medikamente nehme und nicht ansteckend sei. Nach der Nacht habe er jedoch unter Panikattacken gelitten, sich zweimal einem Aids-Test unterzogen, und weil er suizidale Gedanken hatte, habe er sich in Psychotherapie begeben. Die Tests seien alle negativ gewesen.

Beleidigen ja, beißen nein. So ließ sich der Angeklagte vor dem Amtsgericht ein. Er wisse selbst seit 2018, dass er durch die medikamentöse Behandlung unter der Nachweisgrenze für das Virus liege und keine Gefahr für andere darstelle. Außerdem habe er den Kontrahenten lediglich am Arm gepackt, sonst nichts.

Der rechtsmedizinische Sachverständige gab an, dass bei der Wunde zwar untypisch angeordnete Bissverletzungen zu erkennen seien. Die fehlende Bogenform lasse sich aber mit einem Biss bei gleichzeitigem Wegziehen des Armes erklären. Die Strafrichterin hatte nach der Beweisaufnahme keinen Zweifel mehr, dass der Angeklagte nicht nur handgreiflich geworden war und verurteilte ihn wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 6300 Euro. Die Beteiligten nahmen das Urteil an, es ist somit rechtskräftig (Aktenzeichen 813 Ds 256 Js 151985/19).

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SZ vom 30.09.2020 / wim
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