Süddeutsche Zeitung

Prozess in München:Mann beleidigt Burka-Trägerin - nun muss er in Haft

Als ein 30-Jähriger eine Frau in der U-Bahn beleidigt, schreiten mehrere Zeugen ein und rufen die Polizei. Das Amtsgericht München verurteilte den Mann nun zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten.

Von Thomas Schmidt

Immer wieder werden Menschen wegen ihres Aussehens rassistisch beleidigt und attackiert - und meist spazieren die Täter anschließend unbehelligt davon, weil keine Polizei in der Nähe ist und niemand sich traut einzuschreiten. Ein 30-jähriger, arbeitsloser Altenpfleger, der im vergangenen Jahr eine Frau mit Burka übel beschimpfte, traf jedoch auf couragierte Zeugen. Sie waren mutig genug, sich einzumischen, die Polizei zu rufen und den Mann bis zu seiner Festnahme zu verfolgen. Nun konnte der 30-Jährige verurteilt werden: Der zuständige Strafrichter am Amtsgericht München verdonnerte ihn zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten wegen Volksverhetzung und dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen - der Mann hatte nämlich auch noch den Hitlergruß gezeigt.

Als er die Tat im Oktober 2019 beging, war der arbeitslose 30-Jährige bereits zur Mittagszeit betrunken, später sollte die Polizei gut 2,6 Promille Alkohol in seinem Blut feststellen. Gegen 14 Uhr fuhr er mit der U-Bahn und begegnete dort seinem Opfer, einer unbekannten Frau mit Burka. "Da ist eine Bombe drunter", soll er Zeugen zufolge unter anderem gesagt haben.

Als ein anderer Fahrgast sich einmischte, beschimpfte er diesen als "Kanaken" und drohte ihm Schläge an. Als er an der Haltestelle ausstieg, habe der Täter den Hitlergruß gezeigt, berichtete eine 34-jährige Zeugin, die mit ihrer Mutter und ihren Kindern unterwegs war. Auch sie stieg aus der U-Bahn aus und rief die Polizei. "Ich rechnete mit einem blauen Auge", erklärte die Frau später, doch der Mann ging davon. Ein weiterer Zeuge, ein 58 Jahre alter Pilot, verfolgte ihn, bis Polizisten eintrafen. Der Mann habe keine Auffälligkeiten beim Reden, Gehen und Stehen gezeigt, gaben die Beamten später an, "Ich möchte mich dafür entschuldigen. Zur Tatzeit war ich alkoholisiert", sagte der Angeklagte vor Gericht. Wenn er getrunken habe, sei er "grundsätzlich ein grässlicher Mensch, dem ich selbst nicht begegnen möchte". Dass er "zum Tatzeitpunkt erheblich alkoholisiert" war und "umfassendes und rückhaltloses Geständnis" ablegte, milderte die Härte des Urteils ab. Eine andere Tatsache jedoch stimmte das Gericht weniger milde: Der Angeklagte ist auf Bewährung in Freiheit. In der Urteilsbegründung ist von einem "krassen dreifachen Bewährungsversagen" die Rede. Und dass er den Hitlergruß in einem "stark frequentierten öffentlichen Raum" zeigte, machte die Sache nicht besser. Eine weitere Strafaussetzung zur Bewährung war deswegen nicht mehr drin, entschied das Gericht - genug ist genug. Das Urteil (Aktenzeichen 844 Ds 116 Js 198348/20) ist noch nicht rechtskräftig.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5234827
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.03.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.