Wohl selten standen Provenienzforschung und Rückgabe von NS-Raubgut in München so im Fokus des öffentlichen Interesses wie dieser Tage. Der in den vergangenen Wochen von der SZ aufgedeckte Skandal wegen des Umgangs der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen mit NS-Raubkunst führte Mitte dieser Woche zur Entlassung von Bernhard Maaz als Generaldirektor der Museen durch Markus Blume, Minister für Wissenschaft und Kunst in Bayern. Etwa zur gleichen Zeit geriet das Bayerische Nationalmuseum, insbesondere dessen Generaldirektor Frank Matthias Kammel, wegen einer antisemitischen Darstellung eines Judas auf dem Titelbild einer hauseigenen Publikation in die Kritik. Einer Publikation, die inzwischen zurückgezogen wurde. Gerade noch rechtzeitig, damit die Nachkommen Münchner Juden, die für eine lange angebahnte Restitution von Silbergegenständen aus dem Museum nach München kamen, nicht damit konfrontiert wurden.
An diesem Mittwoch nun findet der alljährliche Internationale Tag der Provenienzforschung statt - inzwischen zum siebten Mal. Und auch die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen laden Interessierte ein, sich, wie es im Ankündigungstext heißt, „über zwei besondere digitale Angebote intensiver mit der komplexen Arbeit der Provenienzforschung auseinanderzusetzen und Einblicke in die Geschichten der Herkunft der Kunstwerke sowie die Schicksale der damit verbundenen Menschen zu erhalten“. Neben der Audio-Tour „Kunst und Schicksale“ in der App „Alte Pinakothek Unframed“ erinnert das Projekt „Kunst, Raub und Rückgabe – Vergessene Lebensgeschichten“ in der Online-Mediathek des Museums an die Opfer von Verfolgung und Enteignung während der NS-Zeit und erzählt deren Lebensgeschichten multimedial.
Das Bayerische Hauptstaatsarchiv präsentiert in einer kleinen Ausstellung Archivgut des Freistaats Bayern zur „Wiedergutmachung“ nationalsozialistischen Unrechts. Das Museum Fünf Kontinente erinnert mit einer Podiumsdiskussion (Beginn 19 Uhr) an „Historische Gewaltkontexte und die Zukunft von Erinnerungskultur in Europa und Afrika“. In der Reihe „Erbe und Erinnerung“ veranstaltet das Lenbachhaus einen Workshop zum Thema „Die Galerie Heinemann 1872 bis 1941 und ihre Verbindungen zum Lenbachhaus“ (Beginn 10 Uhr).
Auch Stadtmuseum und Jüdisches Museum München begeben sich mithilfe eines Workshops auf die Spurensuche von NS-verfolgungsbedingtem Entzug in der Sammlungsgeschichte (Beginn 15 Uhr). Außerdem zeigt das Jüdische Museum die Ausstellung „Die Dritte Generation. Der Holocaust im familiären Gedächtnis“, die am 8. April um 19 Uhr eröffnet wird.
Das Zentralinstitut für Kunstgeschichte lädt zu zwei Führungen ein: „Kunsthandelsquellen im ZI (Böhler, Weinmüller, Helbing)“ mit Cosima Dollansky und Lena Schneider um 10 Uhr auf deutsch und „The Central Collecting Point and the Art Market Sources at the ZI“ mit Christian Fuhrmeister um 15 Uhr in englisch. Und das Deutsches Museum hat anlässlich des Provenienztags ein deutsch-niederländisches Kooperationsprojekt zur Provenienz eines im Deutschen Museum ausgestellten Jagdflugzeugs online gestellt. Und zwar geht es um Hermann Görings Fokker D.VII.
Alle Infos gibt es auf der Website des Arbeitskreises Provenienzforschung unter https://www.arbeitskreis-provenienzforschung.org/?tdp_tags=deutschland