Jubiläum:Die Kirche in besonderer Verfassung

100 Jahre Kirchenkreis München

"Was liegt heute in der Luft?", fragte sich die Sängerin vom "Tanztee Syndikat", das den festlichen Abend in der Dekanatskirche St. Markus mit Musik aus den Zwanzigerjahren umrahmte.

(Foto: Florian Peljak)

Protestanten feiern 100 Jahre Kirchenkreis München und Oberbayern - mit dem Wunsch nach einer Reform.

Von Ulrike Heidenreich

Wer am Montagabend in die St.-Markus-Kirche nahe der Pinakothek der Moderne hineinschaute, konnte erst meinen, sich in der Tür geirrt zu haben: Vor dem Altar wippte eine mit Glitzerstirnband und roter Federboa bewehrte Dame, sang kokett über Dinge, die in der Luft lagen und berlinerte über den "lieben Jott". Der liebe Gott war jedoch beileibe nicht ausgeflogen. Zum Festakt "100 Jahre Kirchenkreis München und Oberbayern" hatte der evangelische Regionalbischof und Gastgeber Christian Kopp für Musik aus den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts gesorgt. Denn am 1. Januar 1921 war die erste bayerische Kirchenverfassung in Kraft getreten.

Zeitgleich mit dieser Verfassung waren 1921 die Kirchenkreise München und Oberbayern, Ansbach und Bayreuth gegründet worden. Der offizielle Name der Kirche lautete damals Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern rechts des Rheins. Protestantismus gab es in Bayern natürlich schon früher, er kam bereits 1799 mit Kurfürstin Friederike Karoline Wilhelmine ins Land. Doch erst vor hundert Jahren, mit der Trennung von Kirche und Staat, endete die Herrschaft des katholischen Königs über die evangelische Kirche. Das erste evangelische Gotteshaus in München war die historische Matthäuskirche, die in der Nähe des Stachus 1833 erbaut worden war. Sie wurde 1938 von den Nationalsozialisten gesprengt und abgerissen. Ihr Nachfolgebau ist die St.-Matthäus-Kirche, die 1955 ein Stück weiter, am Sendlinger-Tor-Platz, eingeweiht wurde.

Es geht um 482 139 evangelische Christen

Von den Gästen, darunter Bayerns Kultusminister Michael Piazolo, Hans-Joachim Heßler, der neue Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, und Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, wollten jedoch die wenigsten nur in Nostalgie schwelgen, im Gegenteil. Sinkende Mitgliederzahlen und schwindende Kirchensteuereinnahmen standen auch beim Festakt im Raum. (Noch) 482 139 Mitglieder hat der Kirchenkreis München und Oberbayern heute. Er ist aufgeteilt in zwölf Dekanate und 150 Kirchengemeinden.

"Ich möchte, dass wir an diesem Abend unseren Blick in die Zukunft richten: Wie wollen wir evangelisch und Kirche sein in den Zwanzigerjahren dieses Jahrhunderts?", fragte Regionalbischof Kopp. "Wir sind kirchlich in den Zwanzigerjahren dieses Jahrhunderts in nicht einfachen Zeiten unterwegs. So wie vor 100 Jahren auch schon." So warb Reiner Anselm, Professor für Systematische Theologie und Ethik, denn auch gleich für eine Reform der bayerischen Kirchenverfassung. Dass die Basis zu wenig zu Wort komme, lasse deren Bindung an die Kirche erodieren. "Mehr Partizipation und mehr Vielfalt" könne man etwa gewinnen, wenn man die Kirchenverfassung zugunsten einer Direktwahl für Gremien wie die Landessynode ändern würde. Ein Wunsch in Gottes Ohren.

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