Pro-Palästina-Demonstration in München:Geschwister-Scholl-Platz wird zur politischen Kampfzone

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Fahnen und Zelte: Auf dem Geschwister-Scholl-Platz vor dem Hauptgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität gab es am Freitag erneut eine pro-palästinensische Demonstration. (Foto: René Hofmann)

Die Polizei unterbindet ein spontan anberaumtes Protestcamp vor der Ludwig-Maximilians-Universität. Es dürfte nicht die letzte Aktion an diesem Ort gewesen sein.

Von René Hofmann

"New York, Rafah, München": Was an der New Yorker Columbia University begann, versuchte eine Gruppe überwiegend junger Demonstrierender angesichts des angekündigten Vorstoßes der israelischen Armee in die Stadt Rafah im Gazastreifen auch in München aufzuziehen - ein Protestcamp als Solidaritätszeichen mit der Zivilbevölkerung in den von Palästinensern bewohnten Gebieten. Rund 70 Menschen kamen hierfür am späten Freitagnachmittag zu einer spontanen Versammlung auf dem Geschwister-Scholl-Platz unmittelbar vor dem Haupteingang der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) zusammen. Nach Diskussionen mit den Ordnungsbehörden wurde die Aktion gegen 20.30 Uhr beendet. Doch es dürfte nicht die letzte dieser Art an diesem Ort gewesen sein.

Bereits eine Woche zuvor hatte es an gleicher Stelle eine pro-palästinensische Demonstration gegeben, die nach Intervention der Polizei schließlich auf der gegenüberliegenden Seite der Ludwigstraße abgehalten wurde. Ähnliche Verhandlungen scheiterten dieses Mal. Die Demonstrierenden lehnten den Vorschlag ab, ihr Camp an den Karl-Stützel-Platz in die Nähe des Hauptbahnhofes zu verlegen. Die Ordnungskräfte wiederum wollten dem Vorschlag der Protestierenden für andere Orte im Universitätsviertel nicht annehmen. Die finale Konfrontation blieb aus. Als die Polizei nach Sonnenuntergang Kräfte zusammenzog, löste sich die Versammlung auf.

Die Standortfrage ist eine zentrale in der Auseinandersetzung. Die Protestierenden wollen ihren Unmut unbedingt in Sichtweite der traditionsreichen Universität formulieren. Ihre Begründung hierfür: Es sei ihr demokratisches Recht, dies zu tun; der Hauptadressat ihrer Forderungen seien die Universitäten.

Von der LMU verlangten sie eine Stellungnahme gegen den "Genozid", den Israel aus ihrer Sicht verübe, sowie - O-Ton - "die Freilassung aller politischer Gefangenen". Zudem sollen Universitäten generell darauf verpflichtet werden, ausschließlich mit zivilen Institutionen zusammenarbeiten zu dürfen. Die Münchner Universitäten sollen Transparenz schaffen, wo sie mit Hochschulen in Israel und dem Militär des Staates kooperieren. All diese Initiativen sollen gestoppt werden.

Die LMU reagierte auf die Aktion nicht unmittelbar. Auf der Startseite ihrer Homepage blieb das Wochenende über eine Erklärung prominent verbaut, die sie bereits in der Vorwoche abgegeben hatte. In dieser heißt es: "Die LMU bekundet ihren Partnerinstitutionen in Israel und den israelischen und jüdischen Studierenden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weiterhin ihre Solidarität und stellt sich klar gegen jede Form von Antisemitismus wie auch jegliche Diskriminierung."

Zur Frage, welche Haltung die Universität dazu einnimmt, dass ihr Haupteingang zunehmend zur politischen Kampfzone wird, verwies eine Sprecherin auf Anfrage an die Stadt München: in deren Zuständigkeit fällt der Platz, der nach den Geschwistern Scholl benannt ist, die wegen des Widerstands gegen die Nationalsozialisten von diesen hingerichtet wurden. Prinzipiell ist die LMU der Meinung, dass "insbesondere bei politischen Kundgebungen zu derartig sensiblen Themen", eine Verlegung an einen anderen Ort geprüft werden solle.

Auf die besondere Problematik Israel-kritischer Demonstrationen auf dem Geschwister-Scholl-Platz hat auch der Verband Jüdischer Studenten in Bayern hingewiesen. Er wirft dem "Unikomitee für Palästina" vor, "bei Studierenden, die noch nicht eingehender mit dem Nahost-Konflikt befasst waren, durch gezielte Manipulation antisemitischen Hass zu schüren".

Eine Forderung der Demonstrierenden: Hochschulen sollen nur noch mit zivilen Einrichtungen kooperieren. (Foto: René Hofmann)
"Ceasefire" - ein Waffenstillstand wird gefordert. Die Demonstranten sehen sich außerdem in Solidarität mit Universitätsprotestlern in den USA. Und mit der Arbeiterklasse. (Foto: René Hofmann)

In Sprechchören wurde am Freitagabend unter anderem gerufen: "Free, free, Palestine". "LMU shame on you". Oder: "Deutschland finanziert, Israel bombardiert." Später wurde Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu "Völkermord" vorgeworfen und er wurde als "Terrorist" bezeichnet. Eine Rednerin versuchte, die Menge zu animieren, ihr nachzurufen: "Israel ist... der wahre Terrorist". Distanzierungen zur Terrororganisation Hamas blieben ebenso aus wie Erwähnungen des von ihr verübten Überfalls auf Israel am 7. Oktober 2023. Die Verbannung vom Geschwister-Scholl-Platz bezeichnete ein Camp-Sprecher als "rein politisch motiviert".

Anne Hübner, die Vorsitzende der SPD-Fraktion im Münchner Stadtrat, schrieb am Freitagabend vor der freiwilligen Auflösung des Camps auf dem Nachrichtendienst X (einst Twitter): "Die Polizei nutzt hoffentlich jeglichen Spielraum, den sie hat, um Camps nach US-Vorbild zu unterbinden." Proteste gegen Netanjahu seien "legitim", "Camps gegen Israel und sein Existenzrecht gerade in München jedoch unerträglich".

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München war in den 1920er-Jahren das Zentrum des Aufstiegs der Nationalsozialisten, Adolf Hitler benutzte den Begriff "Hauptstadt der Bewegung". Aus dem Bewusstsein für die besondere historische Rolle der Stadt werden Beziehungen mit Israel besonders gepflegt. So gibt es in München das einzige Generalkonsulat des Staates Israel in Deutschland. Der Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur, der 1997 an der LMU eingerichtet wurde, war der erste dieser Art an einer deutschen Hochschule. Die Technische Universität München (TUM) ist eng verbunden mit der 1912 in Haifa gegründeten ersten Universität Israels, dem Technicon.

Auch die jüngste der acht Partnerstädte Münchens liegt in Israel: Seit 2021 besteht die Verbindung mit Be'er Scheva, das vom Überfall der Terrororganisation Hamas im Oktober 2023 direkt betroffen war. Als Reaktion darauf hatte der Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft des Stadtrats beschlossen, dass die Münchner Universitäten den Austausch mit der Ben-Gurion-Universität in Be'er Scheva ausbauen sollen.

Aus Sicht von Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, haben derartige Initiativen inzwischen spürbar nachgelassen. "Wir konnten Leitz-Ordner füllen mit den Sympathiebekundungen", so Knobloch in der Abendzeitung über die Zeit unmittelbar nach dem 7. Oktober 2023. Inzwischen sei dies nicht mehr der Fall. "Alles, was Israel tut, wird sofort höchst negativ bewertet. Das spüren auch wir."

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