Das fängt ja schon mal gut an: Läuft ein leibhaftiger Puma über einen Berg und beschwert sich über zu viele Menschen. So gesehen in der allerersten „Woodwalkers“-Szene, und das sich erstaunlich klar artikulierende Tier hat natürlich recht: Bei der Weltpremiere der Jugendbuchverfilmung im Mathäser Filmpalast sind sehr viele Menschen da, große und noch mehr kleine. Allerdings ist der Puma auf der Leinwand und sie davor, als Sicherheitsabstand dürfte das eigentlich reichen.
Der Andrang im Kino ist so groß, dass der in zwei Wochen bundesweit anlaufende Film in mehreren Sälen parallel gezeigt wird. Während man sich als erwachsener Zuschauer noch fragt, was man von quasselnden Wildtieren im Naturdoku-Look halten soll („Wir müssen noch höher!“), wissen die jungen Zuschauer längst Bescheid: Die „Woodwalkers“ sind Gestaltwandler, sie können sich also in Menschen verwandeln – und zurück in Tiere.
Das ist auch die Prämisse der von Katja Brandis erdachten Story, die sich in Buchreihenform bislang 2,8 Millionen Mal verkauft hat. Der Traum, einmal jemand anderer zu sein, vielleicht sogar ein alle Schulpflichten und Hausaufgaben ignorierendes Tier, ist nicht neu – taugt aber trotzdem zum Buchhandels-Hit. Dass aus Bestsellern Blockbuster werden sollen, ist fast eine logische Schlussfolgerung. Die in Olching lebende Brandis, die eigentlich Sylvia Englert heißt, erscheint auf dem roten Teppich im Raubtier-Look (beziehungsweise einer wild gemusterten Bluse) und erklärt: „Aus den ersten sechs Büchern sollen drei Filme werden.“
Und da die Herstellung eines Films immer so lange dauert, ist „Woodwalkers 2“ bereits im Kasten, er soll in einem Jahr ins Kino kommen. Ein großes Risiko, gesteht Corinna Mehner: „Der erste Teil hat knapp 16 Millionen Euro gekostet.“ Die Münchnerin hat diesen nicht nur für Kinderfilm-Verhältnisse ungewöhnlich teuren Film produziert, sie muss jetzt auf Tempo setzen: Die jugendlichen Stars auf der Leinwand werden viel zu schnell groß, die Zielgruppe ebenfalls. Das Zeitfenster, in dem sich Kinder in Rothörnchen, Polarwölfe, Bisons oder eben Pumas verwandeln wollen, ist nicht endlos lang.



Der Film spielt in einem Gestaltwandler-Internat: Wer da an Freundschaft, Geheimnisse und Harry Potter denkt, liegt nicht ganz daneben. Die weißblond gefärbte Martina Gedeck spielt die Rektorin, was insofern Sinn ergibt, da sich diese ebenfalls verwandeln kann – in einen Weißkopfadler. So oder so behält man da den Überblick. Und damit man sie nicht übersieht, trägt Gedeck eine große Glitzerkette. Ob sie sich nicht an die Schauspielregel erinnern könne, dass man nie mit Kindern oder Tieren drehen solle, da diese einem garantiert die Schau stehlen würden? „Dafür bin ich selbst viel zu sehr Kind und Tier“, antwortet die Schauspielerin.
Ihr Kollege Oliver Masucci spielt im Film einen Tech-Milliardär, der erstaunliche Parallelen zum Tesla-Chef und Trump-Buddy Elon Musk aufweist. „Ja, solche Rollen gibt es in letzter Zeit öfter“, sagt er. Andere Wirtschafts-Bosse seien eben wahnsinnig farblos. Erst vor ein paar Tagen sah man ihn im Fernsehen als Deutsche-Bank-Chef Herrhausen: „Solche Leute gibt es überhaupt nicht mehr“, behauptet Masucci. Im Film gibt er einen prima Gegenspieler ab, zwischendurch wird er ebenfalls zum Puma. Bleibt nur noch die Frage offen, ob in Elon Musk auch irgendein Raubtier steckt.
Und dann wäre da noch Hannah Herzsprung, die sich leider überhaupt nicht verwandeln kann. Zumindest nicht in diesem Film: Ausgerechnet eine der wandlungsfähigsten Schauspielerinnen ihrer Generation mimt in „Woodwalkers“ eine Adoptivmama in Menschengestalt. „Eine kleine, aber feine Rolle“, behauptet sie am Premierentag in München und lächelt so bezaubernd, dass man es ihr fast sogar glaubt. Ein Wunschtier habe sie trotzdem, sagt sie: „Am liebsten wäre ich eine Löwenmama.“