"Oh Gott, ich muss mein Paket bei der Post abholen." Wer bei diesem Satz mit Grauen an das Briefzentrum Arnulfstraße denkt, wohnt vielleicht im Westend. Dort hat Ende August 2021 die Niederlassung in der Bergmannstraße dichtgemacht. Seither kommt es immer wieder vor, dass Paketpost nach Neuhausen gebracht wird, wenn der Bote zuhause niemanden antrifft. "Jedes mal wieder ein Horror, hierher fahren zu müssen", schreibt ein Rezensent in einer Google-Bewertung.
Künftig dürfte es noch öfter vorkommen, dass Postkunden weitere Wege als gewohnt in Kauf nehmen müssen, um Post aufzugeben, Pakete abzuholen oder Geld abzuheben. Im vergangenen Jahr wurden in München vier Standorte geschlossen: Agnes-, Angerer-, Bergmann- und Fraunhoferstraße, allesamt beliebte und gut besuchte Poststellen. Fünf weitere Filialen müssen in diesem Jahr zusperren.
Das sorgt für Unmut bei den Anwohnern, Ärger in den Bezirksausschüssen und Gegenwehr im Stadtrat. Am Donnerstag lud das Wirtschaftsreferat Mitglieder des Stadtrats sowie Bezirksausschuss-Vorsitzende zu einer Informationsveranstaltung mit Vertretern der Deutschen Post AG ein.
"Münchnerinnen und Münchner sehen Postdienstleistungen als Daseinsvorsorge", sagt der stellvertretender Referatsleiter Kurt Kapp. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) mache sich aus diesem Grund auf Bundesebene dafür stark, dass die nächste Poststelle nach maximal 1000 Metern erreicht wird - anstelle der derzeitigen 2000 Meter Entfernung. Eine Antwort aus dem Bundeswirtschaftsministerium stehe noch aus, so Kapp.
Zunehmend Online-Banking: Das ist der Grund für die Filialschließungen
Bleibt die Frage, wie ernst die Lage ist. "Ich denke, die postalische Versorgung in München ist sehr gut", sagt Helmut Muhr, regionaler Politikbeauftragter der Deutschen Post für fast ganz Bayern. Er stellt gleich zu Beginn der Diskussion klar: Die Schließungen in München seien nicht von der Deutschen Post beschlossen worden, sondern von der Deutschen Bank. Weil immer mehr Bankkunden ihre Geschäfte online erledigen, streicht das Institut das Filialnetz seiner Marke Postbank stark zusammen.
Bis Ende 2023 sollen in Deutschland 200 der 750 Geschäftsstellen verschwinden, in München trifft das neun Filialen. "Wir freuen uns nicht über die Entscheidung der Bank", sagt Muhr. "Aber wir können das nicht aufhalten oder verhindern, die Bank entscheidet selbständig über ihr Filialnetz."
Bis Ende März 2022 sollen die Postbank-Finanzcenter im Alten Hof und in der Theresienstraße schließen. Man suche derzeit mit Hochdruck nach Alternativen für die beiden Standorte, sagt Postbank-Manager Muhr. Im Umfeld der Theresienstraße solle eine neue Partner-Filiale eingerichtet werden, und in der Innenstadt führe man "vielversprechende Gespräche" mit Einzelhändlern. In jedem Fall sei "ein nahtloser Übergang" vorgesehen, so Muhr.
Bis spätestens Ende September sollen auch die bisherigen Standorte Romanplatz, Korbinian- und Hofmannstraße aufgegeben werden. Am Romanplatz bemühe man sich um einen Nachfolgestandort im Einzelhandel. Wer bislang zur Korbinianstraße gegangen ist, den verweist die Post an die bereits bestehende Filiale bei Schreibwaren Hausleiter in der Illungshofstraße, wo es künftig zwei Postschalter geben werde. Und wer die Post in der Hofmanstraße aufgesucht hat, könne schon seit vergangenen Oktober auf eine neu eröffnete Filiale in der Aidenbachstraße 139 ausweichen; zudem werde bis Ende März in der Fallstraße eine weitere eröffnet.
Wenn Geldautomaten wegfallen, trifft das vor allem die älteren Menschen
Viel Konjunktiv ist in diesen Sätzen, die Suche nach neuen Quartieren ist schwierig, vor allem in der Innenstadt, wo zu den hohen Mieten auch große Schwierigkeiten für den Lieferverkehr hinzukommen.
In der anschließenden Diskussion üben die Vorsitzenden der Bezirksausschüsse teils harsche Kritik, machen aber auch Vorschläge zur Verbesserung der Versorgung. Günter Keller (SPD) aus Sendling-Westpark kritisiert, dass mehrere kleine Shops neue Probleme bei der An- und Ablieferung schaffen würden. Er regt eigene Ladezonen für die Filialen an.
Sibylle Stöhr (Grüne) von der Schwanthalerhöhe stellt fest: "Mit der Schließung in der Bergmannstraße fehlt jetzt auch ein Geldautomat, das ist für ältere Personen nicht einfach." Patric Wolf (CSU) aus Schwabing-Freimann schlägt zentrale Standorte für Packstationen vor, an denen nicht nur DHL vertreten ist, sondern auch andere Versandanbieter aufgenommen werden.
Alexandra Gaßmann (CSU) aus Laim fordert, dass Pakete auch dann wohnortnah abgeliefert werden, wenn niemand zuhause ist. "Warum landen Paket nicht im eigenen Viertel, sondern woanders, wenn man nicht zuhause ist?", fragt auch Stadtrat Stefan Jagel (Linke).
Weil der Online-Handel boomt, wird es mehr Packstationen geben
Muhr, der Beauftragte der Deutschen Post, begegnet dem Lamento, dass es immer weniger Filialen in München gebe, mit Zahlen. Er zeigt einen Stadtplan, auf dem in Post-gelb knapp 500 Standorte von Deutscher Post und DHL eingetragen sind. Es gebe, Stand 31. Dezember 2021, 122 Partner-Filialen in der Stadt.
"Partner" deshalb, weil seit den beiden Postreformen in den 90er Jahren und der Privatisierung der früheren Bundespost das Netz umgebaut wurde: Seither betreibt nicht mehr die Post die Filialen, sondern die Deutsche Bank, Aldi, Lidl, Edeka, Rewe und andere.
Davon böten 30 Finanzdienstleistungen an. Hinzu kämen fünf Annahmestellen für Geschäftspost, 162 DHL-Paketshops, 166 Packstationen und 38 sogenannte Verkaufspunkte, wo man wenig mehr als Briefmarken kaufen kann. Massiv ausgebaut werden soll in den kommenden zwei Jahren vor allem die Zahl der Packstationen, da der Online-Handel boomt.