Süddeutsche Zeitung

Verkehrswende:Erste Pop-up-Radwege Münchens eröffnet

In der Elisenstraße gibt die Stadt zwei temporäre Fahrradstreifen frei, für die Autofahrern einiges an Platz genommen wird. Im Herbst endet der Versuch - oder wird zur Dauereinrichtung.

Von Ekaterina Kel

Gelb ziehen sie sich hin - die frischgezogenen Linien, die in der Elisenstraße eine provisorische Fahrradstraße markieren. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat an diesem Montag die erste sogenannte Pop-up-Bike-Lane eröffnet. Der Name steht für einen temporären Fahrradweg und klingt ausgefallener als das Ergebnis: Auf beiden Seiten der Straße, entlang des Alten Botanischen Gartens, zwischen Lenbachplatz und Dachauer Straße, führen von nun an sattgelbe Markierungen die Fahrradfahrer mutig auf der Straße entlang. In der selben Farbe macht das Fahrrad-Symbol unmissverständlich und für alle klar: Hier ist Platz fürs Rad.

Dafür müssen die Autofahrer weichen: Die Straße, auf der vorher in jeder Richtung zwei Spuren waren, schrumpft nun zusammen. Die Autos können hier pro Richtung nur noch einspurig unterwegs sein. Die Parkstreifen rechts und links am Straßenrand sind aber geblieben.

Ein gut gelaunter Reiter posiert auf dem neuen Radweg. "In Zeiten von Corona nutzen leider nicht mehr so viele die öffentlichen Verkehrsmittel. Wir wollen vermeiden, dass diese Menschen alle aufs Auto umsteigen", so der Oberbürgermeister. Insgesamt sollen an fünf weiteren Stellen in der Stadt solche temporären Fahrradstreifen entstehen. Der Beschluss der grün-roten Mehrheit im Stadtrat, die Streifen einzurichten, fiel vor weniger als vier Wochen. Der Eröffnungstermin war sogar schon für vergangene Woche angesetzt, wurde aber wegen Dauerregens verschoben.

Dass die Umsetzung so schnell nach dem Beschluss möglich gewesen sei, freue ihn sehr, sagt Reiter. Durch die Pandemie habe man gemerkt, wie wichtig eine schnelle Reaktion sei. Fahrradfahrer bräuchten mehr Platz, um den wegen Ansteckungsgefahr nötigen Abstand besser einhalten zu können. Außerdem, und das ist die wichtigste Botschaft des Oberbürgermeisters an diesem Tag: "Die Regierung nimmt die Verkehrswende ernst."

Von den Anwesenden erntet er für diese Aussage Beifall. Für die meisten, die sich hier bei der Eröffnung vor dem Neptunbrunnen versammelt haben, leuchtet das neue Gelb der Markierungen auf dem Asphalt verheißungsvoll. Aktivisten des Bündnisses Radentscheid, Umweltschützer vom Bund Naturschutz, Mitarbeiter des neu geschaffenen Angebots "München unterwegs", das alle Informationen der Stadt zum Thema Mobilität bündelt, sie alle begrüßen die Maßnahme.

Die neuen temporären Radwege seien "ein Schritt in die richtige Richtung", sagt Martin Hänsel vom Bund Naturschutz. Die Stadt müsse diesen Weg aber "entschlossen weitergehen" und noch an mehr Stellen Straßenraum zugunsten des Rad- und Fußverkehrs umverteilen. "Es sind heute deutlich mehr Radler unterwegs als früher", sagt Katharina Horn, Sprecherin des Bündnisses Radentscheid. "Wir möchten, dass es auch mehr bleiben." Die neue Pop-up-Bike-Lane sei "besser als keine", aber ihr Bündnis wünsche sich noch weitere Schritte. "Wir sind überzeugt, dass es noch mehr Bedarf gibt als das, was geplant ist."

Horst Schiller vom Baureferat erklärt, was sie damit meint: Am Dienstag wird es an der Theresienstraße zwischen Türken- und Schleißheimer Straße weitergehen. In der Einbahnstraße soll die rechte Spur zum Radweg werden, den auch MVG-Busse nutzen dürfen. Außerdem soll auch an der Gabelsbergerstraße zwischen Arcis- und Türkenstraße, ebenfalls einer Einbahnstraße, die rechte der drei Autospuren für Räder und Busse reserviert werden. Am Mittwoch geht es an der Rosenheimer Straße weiter. Zwischen Orleansstraße und Rosenheimer Platz wird in beiden Richtungen je eine der beiden Fahrspuren zum Radweg, die Parkplätze daneben bleiben erhalten. Und ebenfalls an der Rosenheimer Straße, zwischen Lilienstraße und Am Lilienberg, wird stadtauswärts die rechte Fahrspur zum Radweg, Park- und Haltemöglichkeiten für Autos entfallen, der Gehweg wird breiter. Als vorerst letztes Projekt steht die Zweibrückenstraße auf der Agenda, zwischen Erhardt-/Steinsdorfstraße und Rumford-/Thierschstraße in beiden Richtungen. Bis spätestens Donnerstag sollen die Arbeiten abgeschlossen sein, sagt Schiller.

Die Bike-Lanes sollen bis Ende Oktober bleiben. Ob die gelben Markierungen, die unfreiwillig an eine Baustelle erinnern, irgendwann mal weiß werden, und damit endgültig neue Realitäten schaffen, ist noch ungewiss. Der Stadtrat will die veränderten Bedingungen auf den Straßen evaluieren lassen. Sollte sich einer der Wege als Option auf Dauer erweisen, kündigte Reiter "intensive Gespräche" mit den Bezirksausschüssen, den Anwohnern und den anliegenden Unternehmern an, bevor etwas endgültig entschieden werde. Eine "zweite Fraunhoferstraße", an der quasi über Nacht feste Fahrradstreifen entstanden, soll es nicht geben.

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SZ vom 23.06.2020/kafe
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