München ist in diesem Sommer ein Pop-up-Paradies. Von der Fan-Zone während der Fußball-Europameisterschaft bis zur Adele-Welt mit Konzertstadion und Gastro-Freizeit-Gelände – gerade auch die Endlichkeit dieser Ereignis-Reiche übt ihren Reiz aus: Da muss man dabei gewesen sein. Außer den temporären Massenarealen gibt es die eher lauschigeren Pop-up-Orte für die Sonnenmonate, man könnte sie unter dem Begriff „Kulturbiergärten“ zusammenfassen. Denn da gibt es Kultur, Bier und eine gartenartige Anlage, in der Entspannungssuchende meist auf Bierbänken oder Liegestühlen lümmeln. Und in der Regel die Abendsonne genießen, wenn die sich denn mal etwas länger zeigt in diesem launischen Sommer.
Jedenfalls hat man die Wahl zwischen etablierten Orten wie dem Isarstrand der Urbanauten, aber auch ganz neuen wie „Die Null“ am Alten Botanischen Garten. Und so sehr sie sich in ihren Konzepten und ihrer Vergänglichkeit auch ähneln, jeder hat doch seine Spezialität und seinen ganz eigenen Charme. Ein Überblick.
Die Null
Die Null ist nicht nichts, sondern eine kleine Sensation: Sogar die New York Times hat berichtet, als im Juli der Pop-up-Biergarten feierlich von Oberbürgermeister Dieter Reiter eröffnet wurde. Denn in der Null gibt es Null Komma Null Alkohol. Münchens erster alkoholfreier Biergarten – das kam in der Welt an wie die Meldung „BMW baut nur noch Hängematten“. Kann das gutgehen? Es muss. Die Stadt will zusammen mit den Wirten vom Cafe Kosmos und dem Parkcafe sowie der Münchner Kultur GmbH („Lange Nächte“) mit diesem nüchternen Spaßareal den Alten Botanischen Garten zurückerobern. Der ist schon lange ein „Schandfleck“ der Süchte und der Gewalt. An dessen Rand am Karl-Stützel-Platz, nicht zu verfehlen hinter dem riesigen roten Ring-Kunstwerk von Staccioli Mauro, werden nun also von Mittwoch bis Samstag, 18 bis 22 Uhr, nur alkoholfreie Biere und Weine sowie Mocktails, Säfte und Kaffee ausgeschenkt. Es gibt ein Street-Art-WC, ein Eismobil und leckeren Imbiss. Das KJR-Musikmobil führt junge Leute an Instrumente und DJ-Pults heran, auf der beachtlich großen Bühne gibt es ein buntes Programm von Latin-Abenden (22.8.), Singer-Songwritern wie Gang (15.8.) und Blues-Routiniers wie Titus Waldenfels (28.8.) bis zu Feierabend-Electro von Ravestreamradio (freitags) – die Musik soll sogar schon den Hollywood-Star Vin Diesel aus dem benachbarten Hotel The Charles angelockt haben. Es klappt also.
Kulturbiergarten am Neptunbrunnen
Die Null hat einen kleinen Bruder bekommen, schrieb dann kurz darauf das Parkcafe: Auch ein paar Meter weiter am Neptunbrunnen im Alten Botanischen Garten hat man ein paar Bierbänke, Buden und Liegestühle aufgestellt, um diesen sonst von „Männern mit trüben Augen“ belagerten Ort „positiv zu bespielen“. Dabei ist es hier so hübsch am kühlen Wasser, dass sogar Touristen kommen, um von hier aus den imposanten Justizpalast auf der anderen Straßenseite zu fotografieren. Jetzt bleiben einige mittwochs bis samstags, 17 bis 22 Uhr, auch wegen der Ibiza-Beats oder anderer Klänge stehen (das Programm erfährt man spontan auf der Insta-Seite des Parkcafes). Anders als bei der Null (mit der Schule daneben) gibt es hier auch Hofbräubier und andere alkoholische Getränke. Dazu „Metzgerschmankerl“ und Eis (von Patagon Helado). Dieselben Betreiber wie von der Null wollen kein Geld scheffeln, sie spenden auch hier den Gewinn an das Spielhaus Sophienstraße.
Fesch im Nussbaumpark
Der Nussbaumpark war trotz der darüber wachenden St.-Mathäus-Kirche auch lange ein Ort des Lasters – bis hier der Veranstalter Urban League einen Pop-up-Biergarten aufmachte. Der Betreiber hat nun gewechselt – ist aber auch ein guter Bekannter: das Team hinter dem Fesch, das wiederum hinter der Club-Legende Harry Klein stand. Wie das Fesch ein queeres Wirtshaus ist, ist auch die Außenstelle im lauschigen Park mit dem Spielplatz ein queerer, offener, bunter Biergarten. Es gibt nicht nur günstige Pommes (3,90 Euro), Hopfenbratwurst auf Prosecco-Kraut oder vegane Schupfnudeln und Augustiner-Bier, sondern wegen der Musikleidenschaft der Betreiber auch das vielleicht dichteste Kulturprogramm der Pop-up-Bühnen (täglich von 16 bis 23 Uhr), denn das macht – unterstützt vom Kulturreferat – Roman Sladek vom Bergson und der Jazzrausch Bigband: etwa Bavaschoro mit Xaver Himpsl (14.8.), Julia Hornung (15.8.) oder Collectif Django (18.). Und wenn die unverstärkten Konzerte wegen schlechten Wetters ausfallen, hat man hier den Vorteil, mit Sack und Pack einfach ins Fesch-Wirtshaus umziehen zu können.
Kulturstrand der Urbanauten
Wer kannte schon den Corneliusbrückenbalkon, bevor die Urbanauten kamen? Genau darum geht es dem Verein um Benjamin David seit 23 Jahren: Mit Happenings verschmähte Un-Orte zu beleben, ihre Schönheit den Bürgern enthüllen, darin sind sie Pioniere in München. „Horizonterweiterung am Rande des Alltags“, nennen sie das, oder „Strandimport nach München“. Denn ihr populärstes Projekt ist seit Jahren der Kulturstrand – „und aus Stadtbrausen wird Meeresrauschen“. So sitzt man in dieser „Strandinszenierung mit Urlaubs-Assoziation“ zwischen Sandburgen auf dem ausladenden Brückenpfeiler, umspült von der Isar, hört chillige Feierabendbeats und trinkt einen Spritz mit Freunden. Kultur zu machen, ist immer eine Vorgabe der Stadt bei der Vergabe des Ortes: Am Kulturstrand gibt es noch bis zum 1. September oft Yoga und einige Konzerte, etwa vom Electro-Saxofonisten Rolax (15.8.), der Münchner Wohlfühl-Songwriterin Sunny (29.8.) oder Johanna Kopp, die in ihren Liedern die „Vorzüge des Alleinseins“ preist.
Kulturstrand am Wittelsbacherbrunnen
Außer dem „Original“ an der Isar haben die Urbanauten noch einen zweiten Kulturstrand eröffnet, den Maximiliansstrand: Am Wittelsbacherbrunnen, einer neoklassischen Monumentalfontäne von 1895 zwischen Lenbachplatz und Maximiliansanlagen, die die Schöpfungs- und Zerstörungskraft des Wassers preist. Wo sich bisher Verliebte abends im märchenhaften Licht am kühlen Wasser unbehelligt zum Schmusen trafen, ist es jetzt im Kulturbiergarten auf 26 Tonnen Karibiksand und an der Strandbar belebter (bis 9. September täglich 12 bis 24 Uhr). Wenn auch immer noch „erfrischend und romantisch“ im Sinne der Erfinder. Das Angebot „täglicher Live-Musik“ lässt noch auf sich warten, derzeit steht nur ein Konzert mit der Funk-Band JB’s First im Kalender (14.8.).
Isarflimmern
Man kennt das „Isarflimmern“ aus dem legendären Lied von Willy Michl: Da „... wird die Zeit angehalten, in da Sommasonna auf dem weißen Kies, i sog eich des is, des Isarflimmern mitten im Paradies.“ Jedenfalls haben sich die Macher der Strandbar Isarflimmern nicht nur einen schönen Namen, sondern auch ein schönes Fleckchen ausgesucht: „am Isarufer gegenüber der Praterinsel, zwischen Landtag und Staatsoper“ (die allerdings doch recht weit weg ist), schreiben Braincandy Solutions. Die sind ein Anbieter von „Eventgastro-Komplettlösungen“ und machten sich bekannt (wenn auch nicht bei allen beliebt) bei den Großkonzerten von Andreas Gabalier, Helene Fischer und Robbie Williams in der Messe Riem. Nach der Kultur beim Isarflimmern muss man ein wenig suchen, findet sie aber auf Instagram. Derzeit im Angebot: argentinisches Grillfest am Dienstag, Open Stage am Mittwoch, Live-Musik am Donnerstag, „Funky Hip-Hop-Flimmern“ am Freitag, House am Samstag, Chillen am Sonntag (geöffnet jeweils bis 23 Uhr bei trockenem Wetter).
Beach Club im Sugar Mountain
Die heute Beach Club genannte große Gastrofläche kam gerade recht in der Pandemie, als viele nach draußen drängten, um Freunde zu treffen und wenigstens in der frischen Luft zu feiern. Geblieben sind die Schani-Gärten vor den Lokalen, und dieser einst als Rave-Biergarten genutzte Beach Club mit Volleyballfeld im Sugar-Mountain-Gelände, wo noch ab und zu Events steigen wie das große „Sommerwiese-Hip-Hop-Open-Air“ mit Jazeek, Omar und vielen anderen Musikern. Dieser Kulturbiergarten liegt etwas abseits im Gewerbegebiet Kistlerhofstraße in Obersendling, hat aber gerade drum herum viel Freizeitwert zu bieten. Auf dem ganzen Gelände des ehemaligen Katzenberger Betonwerks, das jetzt selbst wie ein Kunstwerk gestaltet ist, gibt es ein Zirkuszelt, Kunst, Pingpong, einen Kiosk, Skate- und BMX-Parcours und einen Basketball-Court. Der Eintritt ist frei. Einige Einrichtungen sind leider schon geschlossen, so wohl auch das Sugar Mountain Ende 2024.
Saluti di Capri im Olympiapark
Die Pop-up-Bar Saluti di Capri ist eine feste Institution im Olympiapark, Münchens Vorzeige-Kultur-Landschaft. Die Sommer-Laube musste heuer allerdings umziehen: von der schwimmenden Pantoninsel direkt auf dem Olympiasee, wo der Großbildschirm der EM-Fan-Zone stand, hinüber auf die Halbinsel. Hat auch Vorteile, denn hier gibt es Bäume, den Tretbootverleih nebenan und einen spektakulären Blick auf den Olympiaturm. Das Amalfi-Küsten-Feeling bleibt: Dolce Vita mit italienischen Drinks und Snacks, Liegestühlen und Sonnenschirmen. Auch hier spielt die Musik, eher von Ibiza-Vibes geprägt (dafür bürgen schon die Club-bekannten Betreiber Branimir „Brane“ Peco und Damir Stabek). Diverse Gast-Veranstalter versammeln hier ihre Communitys zu Events wie dem Latin-Open-Air mit Jimie und Javier (24.8.) oder dem „Ye Sommerfest“ mit Star-DJ Ikerfoxx, nicht aus Italien, sondern Spanien. Und drum herum ist immer etwas geboten, gerade beim Theatron-Musiksommer und dem Sommerfestival (9. bis 26. August), dem Pop-up-Familienereignis des Olympiaparks mit Buden, Fahrgeschäften, Dackel-Day und Feuerwerk.