Süddeutsche Zeitung

Razzia auf dem Oktoberfest:Nur Transparenz hilft, wenn Polizisten Straftaten begehen

Der Chef der Wiesn-Polizeiwache warnt einen Wirt vor einer Durchsuchung, vor Gericht kommt er aber nicht. Der Eindruck, dass mit einem einfachen Strafbefehl öffentliches Aufsehen vermieden werden sollte, ist fatal.

Kommentar von Julian Hans

Dass der Betrüger und Ausbeuter Akram A. jetzt für viereinhalb Jahre hinter Gittern sitzt, ist nur eines von vielen Beispielen für die gute Arbeit der Strafverfolgungsbehörden in Bayern. Das Landgericht hatte den Mann im Februar verurteilt. Zuvor hatten Zoll, Steuerfahndung und Polizei Hand in Hand gearbeitet und dem Geschäftsführer mehrerer Reinigungsfirmen das Handwerk gelegt, der Millionen an Steuern hinterzogen und Sozialabgaben nicht bezahlt hat. Den Schaden hatten nicht nur die Beschäftigten, die nachts die Bierzelte auf dem Oktoberfest von den Spuren der großen Party reinigten und dabei nicht einmal richtig versichert waren. Den Schaden hatte die ganze Gesellschaft.

Ein Wermutstropfen genügt, um solchen Ermittlungserfolgen einen bitteren Beigeschmack zu geben: Vor der Durchsuchungsaktion gegen die Reinigungsfirma auf dem Oktoberfest vor zwei Jahren hatte der Chef der Wiesnwache den Wirt des betroffenen Zeltes gewarnt. Ein Ermittlungsverfahren gegen den prominenten Gastronom musste die Staatsanwaltschaft letztlich aus Mangeln an Beweisen einstellen. Ob er aufgrund der Warnung belastende Unterlagen beseitigt hat, lässt sich nicht mehr feststellen. Der straffällig gewordene Beamte aber, ein angesehener und umgänglicher Mann mit guten Verbindungen in die Münchner Gesellschaft und Politik, musste nur eine Geldstrafe zahlen. Über disziplinarische Konsequenzen ist noch nicht entschieden.

Dass dabei der Weg eines Strafbefehls gewählt wurde, der eigentlich dazu gedacht ist, die Justiz von massenhaft auftretenden Bagatelldelikten zu entlasten, nährt den Eindruck, dass hier ein Vorgang möglichst ohne öffentliches Aufsehen erledigt werden sollte. Gerade Vergehen von hochrangigen Beamten sollten im öffentlichen Interesse aber auch öffentlich verhandelt werden. Die transparente Auseinandersetzung damit schwächt nicht das Vertrauen in den Rechtsstaat, sie stärkt dieses Vertrauen.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2020/aner/kast/van
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