Polizei in München:"Die Akten werden nie geschlossen, bis wir den Täter haben"

Der neue Leiter der Münchner Mordkomission

Stephan Beer begann seine Ausbildung mit 18 bei der Bereitschaftspolizei in Königsbrunn.

(Foto: Catherina Hess)

Stephan Beer ist neuer Chef der Münchner Mordkommission. Die Aufklärungsquote liegt hier bei fast hundert Prozent - aber ein Fall ist immer noch ungeklärt.

Von Joachim Mölter

Das ist ja mal ganz was Ungewöhnliches, dass ein neuer Chef bei seinem Amtsantritt als Ziel in den Raum stellt: "Ich hoffe, dass uns die Arbeit ausgeht."

So hat das Stephan Beer aber tatsächlich gesagt, als er sich in dieser Woche der Öffentlichkeit vorstellte, und in seinem Fall ist dieser Wunsch sogar verständlich. "Weil es bei uns immer um ein Menschenleben geht", wie er gleich hinzugefügt hat. Der 43-Jährige leitet seit Monatsanfang bei der Münchner Kriminalpolizei das Kommissariat 11, das zuständig ist für vorsätzliche Tötungsdelikte, Geiselnahme, Menschenraub. Im Volksmund formuliert: Er ist Chef der Mordkommission.

Das ist ein prestigeträchtiger Posten, dessen ist sich Stephan Beer bewusst. Und so wie er sich optisch präsentierte, nämlich Ton in Ton mit hellgrauem Anzug, hellblauem Hemd und hellgraublauer Krawatte sowie einem aus dunkelblonden Haaren herauswachsenden dunkelblondem Brillengestell, so bemühte er sich auch akustisch um den richtigen Ton. Er sprach jedenfalls von "einer herausragenden Tätigkeit, der ich mit Respekt begegne".

Stephan Beer ist natürlich auch realistisch genug, um zu ahnen, dass sich seine eingangs geäußerte Hoffnung kaum erfüllen wird. Denn Mord und Totschlag, "das bleibt wahrscheinlich nicht aus in einer Stadt wie München", sagt er. Auch wenn die sich rühmt, die sicherste Großstadt Europas zu sein, und die Fallzahlen tatsächlich vergleichsweise gering sind: Im Corona-Jahr 2020 war das Kommissariat 11 mit 25 Vorgängen beschäftigt, darunter waren sechs vollendete Tötungsdelikte.

Insofern sieht Beer auch erst einmal keine Notwendigkeit für irgendwelche Änderungen. "Das wäre blinder Aktionismus", sagt er. Außerdem lobt er seinen Vorgänger Josef Wimmer, 41, der nach vier Jahren im Amt nun die Einsatzzentrale im Polizeipräsidium Oberbayern Süd in Rosenheim übernommen hat: "Das K11 ist hervorragend geführt worden." Nur "eventuell gibt es kleine Stellschrauben", an denen er drehen könne, glaubt Beer, aber das will er erst mal genau sehen. "100 Tage kriegt der nächste Bundeskanzler", sagt er, "und die nehme ich mir auch, um den Kollegen über die Schulter zu schauen und mich in die Prozesse einzuarbeiten."

Nach einer Station in der Einsatz-Unterabteilung für Verbrechensbekämpfung war Beer im Innenministerium tätig

Mit Mord und Totschlag hatte der neue Vorgesetzte der insgesamt rund 30-köpfigen Abteilung bislang ja nichts zu tun. Dafür mit fast allem anderen. Als 18-Jähriger fing der gebürtige Münchner bei der Bereitschaftspolizei in Königsbrunn mit der Ausbildung an. Er war zunächst in der Einsatzhundertschaft, dann als Streifenpolizist in der Maxvorstadt.

Nach einer Station in der Einsatz-Unterabteilung für Verbrechensbekämpfung, wechselte er für drei Jahre in die Polizei-Abteilung des Innenministeriums. Anschließend durchlief er ein Förderprogramm, studierte an der Polizeihochschule in Münster-Hiltrup, widmete sich Cyber-Crime-Ermittlungen und zuletzt beim Landeskriminalamt der Fortentwicklung der Vorgangsbearbeitung.

Während des Förderprogramms hatte Stephan Beer eine sogenannte Führungsbewährung absolviert, zwischen September 2016 und März 2017 beim Kommissariat 15, bei dem die Sexualdelikte landen. "Da ist anscheinend meine Name in Erinnerung geblieben", sagt er. Ganz offensichtlich sogar hat er damals einen bleibenden Eindruck hinterlassen bei Klaus Böhmert, dem Leiter des Fachdezernats 1, dem auch die Kommissariate 11 und 15 untergeordnet sind. Denn Böhmert sprach Beer an, als es um die Neubesetzung des Postens ging.

Dass Stephan Beer bis dato nicht mit Morden in Berührung gekommen ist, schadet seinem Ansehen im Polizeipräsidium in der Ettstraße offenkundig nicht. Dort ist durchaus herauszuhören, dass die Kollegen seine Beförderung goutieren. Beer habe von der Pike auf alles gelernt und alle Stationen durchlaufen, erkennen sie an; er habe sich hochgearbeitet, vom sogenannten mittleren Dienst über den gehobenen bis zum höheren Dienst. "Das sind Karrieren, die eigentlich nicht mehr möglich sind heutzutage", sagt einer über Beers Aufstieg zum Kriminalrat.

In der Branche genießt die Münchner Mordkommission einen legendären Ruf wegen ihrer fast hundertprozentigen Aufklärungsquote. Da schmerzt ein offener Fall wie der sogenannte Isarmord an dem Radfahrer Domenico L. vor mehr als acht Jahren besonders. Obwohl es DNA-Spuren vom Täter gibt, ist der bis heute nicht identifiziert. Diesen spektakulären Fall haben Beers Vorgänger ihm hinterlassen. "Der ist immer präsent", hat der neue Chef schon festgestellt in den zwei Wochen, in denen er seinen neuen Kollegen bereits über die Schulter geschaut hat. Ähnlich wie Josef Wimmer bei seinem Amtsantritt verspricht nun auch Stephan Beer: "Die Akten werden nie geschlossen, bis wir den Täter haben." So schnell wird ihm die Arbeit wohl nicht ausgehen.

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