Prozess in München:Auf Streife, um "Menschen zu zerstören"

Prozess in München: Es geht um Falschaussagen und Gewalt im Prozess gegen zwei suspendierte Beamte der Altstadt-Wache an der Hochbrückenstraße.

Es geht um Falschaussagen und Gewalt im Prozess gegen zwei suspendierte Beamte der Altstadt-Wache an der Hochbrückenstraße.

(Foto: Catherina Hess)

Vor dem Amtsgericht sind zwei Polizisten angeklagt, die Unschuldige verfolgt und vor Gericht falsch ausgesagt haben sollen. In ihren Chats sind verstörende Gewaltfantasien nachzulesen.

Von Susi Wimmer

Es war Deutschlands größter Polizeiskandal, den die Sonderkommission Nightlife am Landeskriminalamt (LKA) mit akribischer Kleinarbeit in den vergangenen Jahren ans Tageslicht befördert hat. Es ging um jede Menge Kokain, zwielichtige Beziehungen von Polizisten zu einem Großdealer, zugedröhnte Beamte im Dienst und einen ehemaligen Wiesn-Wirt, der von dem Schnee nicht genug kriegen konnte. Am Montag begann vor dem Münchner Amtsgericht der Prozess gegen zwei weitere Polizisten, der das bislang Dagewesene in den Schatten stellt.

Laut ihren Chats fuhren zwei Beamte der Altstadtwache "voller Vorfreude" in die Nachtschicht, um "Menschen zu zerstören", die ihre Bekanntschaft machen würden und deren "Leben man in Horror verwandeln" werde. Laut Anklage sollen Andreas Z. und Erik S. Unschuldige verfolgt, vor Gericht falsch ausgesagt, Menschen genötigt - und Kokain weitergegeben haben.

Dem internen Ermittler des LKA, der schon in etlichen Verfahren der Soko Nightlife vor Gericht ausgesagt hat, ist anzumerken, wie sehr ihn die Chat-Nachrichten seiner mittlerweile suspendierten Kollegen verstören. Der 28 Jahre alte Andreas Z. und sein Kollege Erik S. taten gemeinsam Dienst auf der Altstadt-Wache in der Münchner Innenstadt. Sie unterhielten sich via Whatsapp später über ihre Einsätze - oder spornten sich im Vorfeld gegenseitig an. "Ich bin schon gespannt, welche arme Seele heute unsere Bekanntschaft machen wird", textete S. Wer auf dem "kalten Asphalt der Realität aufschlagen" werde - "das kann ganz schnell gehen".

Zwei Feiernde gerieten in der Sonnenstraße ins Visier der Beamten

Ganz schnell ging es auch für Elmar P. (Name geändert), 26, der in der Nacht auf den 25. November 2016 mit seinem damals besten Freund Mikael M. beim Feiern war. Die Polizeiinspektion 11 ist auch für die sogenannte Feierbanane an der Sonnenstraße zuständig. Und dort, in der 089-Bar am Maximiliansplatz, hatten die beiden jungen Männer getrunken. Gegen 4.30 Uhr kamen sie aus dem Club, wechselten die Straßenseite in den Park gegenüber und standen in einer Parkbucht für Autos, als Z. und S. im Streifenwagen vorbeifuhren. Die Polizisten sagten vor Gericht, die Feiernden hätten Anstalten gemacht, auf die Fahrbahn zu treten, "das sah gewollt aus, als Provokation", ist sich Erik S. sicher. Elmar P., dunkelhaarig und aus Afghanistan stammend, erklärte, er sei schon sehr oft von der Polizei kontrolliert worden. Insofern wunderte er sich nicht, als die Polizeibeamten zur Kontrolle anhielten.

Zu diesem Zeitpunkt trugen die Beamten in der Pilotphase Bodycams. Auf dem Video, das im Prozess gezeigt wurde, hört man Elmar P. sagen, er wolle nicht gefilmt werden, man möge die Kamera ausmachen. Dazu streckt er die Hand nach vorne, um das Sichtfeld der Kamera zu verdecken. Dann sei es "wie der Blitz" losgegangen: Gerangel, Geschrei, sein Freund sei am Boden gelegen. Er habe sich etwas abseits an einen Baum stellen müssen. Als er das Geschehen filmte, habe man ihm gesagt, er müsse alles löschen. Das habe er gemacht. "Das ist die Polizei, ich respektiere sie." Und er würde "niemals einen Polizisten anfassen".

Genau das aber schrieben die beiden Polizisten übereinstimmend in ihren späteren Stellungnahmen. Dass Mikael M. den Polizisten S. geschlagen und dieser ihm daraufhin einen Faustschlag auf die Nase verpasst habe. Und dass Elmar P. den Polizisten Z. zweimal mit beiden Händen gegen den Oberkörper geschubst habe. Direkt nach dem Vorfall schickte S. dem Kollegen ein Foto von M. mit dem zerschundenen und blutigen Gesicht. "Bin immer noch ganz stolz, wie wir den Typen zertrümmert haben", schreibt er. Und: "War echt ein schönes Erlebnis." Nachdem Richterin Cornelia Amtage den Chat verlesen hat, grinst Andreas Z. auf der Anklagebank in Richtung seines Nachbarn Erik S. und zwinkert ihm zu.

Den zweiten Stoß habe er dazu erfunden, räumte ein Angeklagter ein

Es sei nur ein Stoß gewesen, räumte Z. nun ein. Den zweiten habe er "zur Ausschmückung" dazu erfunden und weil der dienstältere S. es ihm so aufgetragen habe. Nein, sagte S. hingegen, das habe er nicht. Der Vorfall vor der 089-Bar landete damals auch vor Gericht: Andreas Z. und Erik S. bestätigten die Angriffe und zwei Schubser im Prozess, Mikael M. wurde zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Das Verfahren gegen Elmar P. wurde gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 300 Euro eingestellt.

"Brennen soll er", schrieb S. vor der Gerichtsverhandlung gegen M. an seinen Kollegen. "Beide, ja", antwortete Z. Und nach dem Prozess schrieb S., dass er es "geil" finde, dass M. zweimal an der Nase habe operiert werden müssen. Und Z.: "Dafür, dass der Schubser gegen mich frei erfunden war, sind 300 Euro viel." Schließlich amüsierten sie sich noch darüber, dass es für die Angeklagten "die größte Erniedrigung" gewesen sei, sich auch noch entschuldigen zu müssen, "dafür, dass er massiv aufs Maul bekommen hat".

Z. ist zudem wegen Nötigung angeklagt, weil er einem in Gewahrsam genommenen Mann gedroht haben soll, ihm die Zähne auszuschlagen. Kollege S. soll einem Mann den Personalausweis abgenommen und ihm nicht wiedergegeben haben. Außerdem soll Z. regelmäßigen Umgang mit Drogen gehabt und einem Kollegen bei einer Party eine "Line" gelegt haben.

Der LKA-Ermittler sagt, dass in den Gewalt verherrlichenden Chats der Polizisten seiner Ansicht nach nichts übertrieben gewesen sei. Man habe "sehr sehr viele Fälle" überprüft, aber meistens seien die Opfer betrunken gewesen und hätten sich nicht erinnern können. Der Prozess wird nächste Woche fortgesetzt.

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