Operation "Action Day":Polizei zerschlägt Kinderporno-Ring

Lesezeit: 3 min

Über einen 49-jährigen Verdächtigen sind Münchner Ermittler auf die Spur von zahlreichen Männern in ganz Deutschland gekommen, die verbotene Bilder und Videos getauscht haben sollen.

Von Martin Bernstein

Nur einen Tag nach zwei Hausdurchsuchungen in München und Fürstenfeldbruck im Rahmen einer bundesweiten Aktion zu den Missbrauchsfällen in Bergisch Gladbach ist die Polizei erneut in mehreren Bundesländern gegen die Besitzer kinderpornografischer Bilder und Videos vorgegangen. Das hat das Münchner Polizeipräsidium am Donnerstag mitgeteilt. Ausgangspunkt der erneuten Razzia, die polizeiintern unter dem Namen "Action Day" lief, waren Ermittlungen gegen einen 49 Jahre alten Münchner. Bei zehn seiner Chatpartner in fünf Bundesländern standen am Mittwochmorgen Fahnder vor der Tür. Den Männern im Alter zwischen 33 und 71 Jahren wird vorgeworfen, im Zeitraum von Mai 2017 bis März 2020 Bilder und Videos mit kinderpornografischen Inhalten besessen und untereinander übers Internet ausgetauscht zu haben.

Die Fährte, die jetzt zur Aufdeckung und Zerschlagung des Kinderpornografie-Rings führte, nahmen die Ermittler bereits vor mehr als zwei Jahren auf. Damals war der 49 Jahre alte Münchner als mutmaßlicher Kinderschänder ins Visier der Ermittler im Polizeipräsidium geraten. In einem Facebook-Chat soll er behauptet haben, "Sex mit Kindern" gehabt zu haben. Ein Zeuge aus Österreich hatte das gemeldet. Der ursprüngliche Tatverdacht des sexuellen Missbrauchs von Kindern wurde dann jedoch zu den Akten gelegt: Die Behauptung des Mannes, es habe sich bei den Chats nur um Fantasien gehandelt, konnte laut Staatsanwaltschaft München I nicht widerlegt werden. Im sichergestellten Beweismaterial entdeckte die Kriminalpolizei aber Hinweise darauf, dass der 49-Jährige schon seit Längerem mit anderen Männern in Kontakt stand, mit denen er im Chatraum eines Internetforums für Pornografie über den sexuellen Missbrauch von Kindern sprach. Der 49-Jährige selbst wurde im Oktober 2020 wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt.

Hate Crime
:Auffallend viel Hass in München

Rund 60 körperliche Attacken mit rassistischem, antisemitischem oder schwulenfeindlichem Hintergrund meldete die Münchner Polizei im Jahr 2020.

Von Martin Bernstein

Seine mutmaßlichen Mittäter verteilen sich über ganz Deutschland. So durchsuchten Polizisten die Wohn- und Geschäftsräume eines 38- und eines 70-Jährigen bei Weilheim, eines 49-Jährigen im Raum Dillingen und eines 33-jährigen Aschaffenburgers. Weitere Razzien fanden in Hessen und Nordrhein-Westfalen (jeweils zwei Beschuldigte), in Rheinland-Pfalz und in Sachsen-Anhalt statt. Koordiniert wurde der "Action Day" von dem bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg errichteten Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet (ZKI). Das erst vor einem Vierteljahr geschaffene achtköpfige Team von Spezialstaatsanwälten um Oberstaatsanwalt Thomas Goger jagt Betreiber und Nutzer von Foren, die kinderpornografisches Material herstellen, posten oder damit handeln. "Mit der koordinierten Aktion soll einmal mehr verdeutlicht werden, dass sich Straftäter auch in der vermeintlichen Anonymität des Internets nicht vor Strafverfolgung sicher fühlen können", sagt Goger.

Die sichergestellten Beweise könnten abermals Hinweise auf weitere Täter geben

Die Computer, Smartphones und Datenträger werden jetzt nach Angaben eines Münchner Polizeisprechers "aufwendig ausgewertet und in detaillierter Arbeit auf weiteres kinderpornografisches Material hin untersucht". Im Münchner Polizeipräsidium ist man sich sicher, dass es im aktuellen Fall nicht bei den zehn jetzt ermittelten Tatverdächtigen bleiben wird: "Nach kriminalistischer Erfahrung ist damit zu rechnen, dass diese Auswertungen abermals Hinweise auf weitere Beschuldigte ergeben werden", hieß es am Donnerstag.

Im Jahr 2019 - aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor - ermittelten Kriminalpolizisten in der Landeshauptstadt München in 115 Fällen wegen der Verbreitung kinderpornografischer Schriften. Gegenüber dem Vorjahr war das ein Anstieg um fast 50 Prozent. Im Landkreis München (35 Fälle) hat sich die Zahl der Straftaten in diesem Bereich sogar mehr als verdoppelt.

Bereits am Dienstag hatten Polizisten in einem anderen Verfahren am Morgen die Wohnung eines weiteren Münchners durchsucht. Auch ihm werden die Verbreitung, der Erwerb und der Besitz kinderpornografischer Inhalte zur Last gelegt. Diese Razzia resultierte aus den seit 15 Monaten dauernden Ermittlungen rund um den Kindesmissbrauchskomplex Bergisch Gladbach. Bundesweit waren am Dienstag dazu mehr als 1000 Polizeibeamte im Einsatz. Bei 75 Durchsuchungen stellten sie insgesamt 2900 Datenträger mit einem Speichervolumen von 40 Terabyte sicher, außerdem mehr als 170 Mobiltelefone.

Die Einsatzkräfte schlugen so überraschend zu, dass 37 mutmaßliche Täter es nicht mehr schafften, ihre Mobiltelefone rechtzeitig vor der Sicherstellung zu sperren. 15 der durchsuchten Objekte befinden sich in Bayern. Neben dem Münchner, dessen Alter nicht mitgeteilt wurde, ist auch ein Fürstenfeldbrucker unter den Verdächtigen.

© SZ vom 29.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSexuelle Übergriffe im Netz
:Warum sollte es mich stören, dass du erst zwölf bist?

Für den erfolgreichsten Dokumentarfilm Tschechiens geben sich drei Schauspielerinnen in Chatforen als Zwölfjährige aus. Über ein Experiment mit Folgen.

Von Viktoria Großmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: