Süddeutsche Zeitung

Landeskriminalamt:Drogenverdacht: Ermittlungen gegen acht Münchner Polizisten

Ein verurteilter Dealer soll nicht nur angesagte Clubs in der Stadt mit Kokain und Haschisch versorgt haben, sondern auch mehrere Beamte. Sie wurden vom Dienst suspendiert.

Von Susi Wimmer

Es scheint ein dicker Fisch zu sein, den Staatsanwalt Jakob Schmidkonz da an der Angel hat: Stefan H. (Name von der Redaktion geändert), Kfz-Mechatroniker und Großdrogendealer, "er stand knietief im Dreck dieser Stadt", sagt der Staatsanwalt. H. soll bis Frühjahr 2018 das Münchner Nachtleben mit Kokain überschwemmt und in Clubs an Mitarbeiter verkauft haben, damit die das Partyvolk mit "Schnee" versorgen. Und der 36-Jährige soll auch Polizisten des Präsidiums München mit Koks und Haschisch eingedeckt haben.

Das Landeskriminalamt (LKA) bestätigte entsprechende interne Ermittlungen, das Polizeipräsidium sprach von acht suspendierten Beamten. Ihre Wohnungen und Arbeitsplätze wurden bereits im Dezember 2018, im Januar 2020 sowie an diesem Dienstag durchsucht. Die Polizisten wurden dem LKA zufolge vorübergehend festgenommen und befragt, sind aber inzwischen alle wieder auf freiem Fuß. Ermittelt werde wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Wie genau die acht Streifenbeamten von fünf Dienststellen des Präsidiums an den Taten beteiligt sind, müsse nun herausgefunden werden.

Aufgeflogen sind die Beamten durch Stefan H., der nun am Dienstag als Zeuge vor Gericht war. Eigentlich ging es in dem Prozess vor dem Amtsgericht München nur um einen 31 Jahre alten Mann, der wegen Erwerbs und gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln angeklagt ist: Christoph K. Er kümmerte sich laut seinem Anwalt Frank Eckstein beispielsweise um das Kulturprogramm im "Hearthouse". Das Etablissement, das in der Alten Börse am Lenbachplatz 2016 eröffnet wurde, versteht sich als "Ort für Begegnungen und Networking" für zahlende Mitglieder, ein Komitee entscheidet, wer aufgenommen wird. Dort sowie in seiner Privatwohnung in der Altstadt soll Christoph K. von Stefan H. regelmäßig mit Kokain beliefert worden sein. Staatsanwalt Schmidkonz geht von 42 Lieferungen allein zwischen Oktober 2017 und April 2018 aus.

Anwalt Eckstein bestreitet im Namen seines Mandanten die Vorwürfe und moniert zum Prozessauftakt, dass sich die Staatsanwaltschaft auf die Aussagen eines "mehrfach verurteilten Drogenhändlers" stützen würde. Der habe nun "im Angesicht einer mehrjährigen Haftstrafe Aussagen gemacht in der Hoffnung auf Strafmilderung". Sein Mandant habe damals tagsüber im Büro des Hearthouse Marketingaktionen geplant. "Ja", sagt Staatsanwalt Schmidkonz, der Betrieb habe sich im Tagesgeschäft etablieren wollen, "aber in München kam das nie so an".

Je nach Absprache gab es Lieferungen in "klein" oder "groß"

Was in München ankam, war laut Aussagen von Stefan H. Kokain. Lässig nimmt der schlaksige Mann als Zeuge vor Amtsrichterin Silke Bierl Platz. Der Angeklagte Christoph K., der sich bis dato weggedreht hat, erwacht zum Leben. Er fixiert H., versucht Augenkontakt aufzunehmen, doch der schaut nur gerade aus. Kurz nach der Wiesn 2017, so erzählt H., habe er den Angeklagten kennengelernt und ihn regelmäßig im Hearthouse mit Drogen beliefert. Je nach Absprache gab es Lieferungen in "klein" oder "groß", sprich fünf oder zehn Gramm Koks. Er habe auch Stoff an die drei ehemaligen Betreiber geliefert. Via Chat orderten die unter Codewörtern wie "Champagner" die gewünschte Menge. Sie wussten, dass Christoph K. Koks kaufte, "damit die Leute im Laden bleiben".

Geht es nach der Aussage von Stefan H., so belieferte er damals etliche Clubs der Stadt: "Sunshine Pub, Milchbar, 089, P1, H'ugo's, Pacha, Palais Club und Heart". Stefan H. wohnte mit seiner Freundin, die ebenfalls ein Lokal besaß, in einer riesigen Penthouse-Wohnung in Schwabing und wurde zum Beispiel mit Promis wie Boris Becker und Nastassja Kinski zur exklusiven Eröffnung eines Hotels eingeladen. "Er selbst hat sich wie der König der Welt gefühlt", sagt Staatsanwalt Jakob Schmidkonz über den Drogendealer, der auch selbst konsumierte. H. sei für ihn "ein explosiver Zeuge, er kannte alle".

Ja, sagt H. kryptisch, auch etliche Polizisten hätten sich "an ihm eine goldene Nase verdient". Ein anderer Zeuge erzählt vor Gericht, H. habe damit geprahlt, dass er Polizisten hätte, die auf ihn aufpassen und ihm bei "Problemen" helfen. Im Hearthouse hat mittlerweile die Verantwortlichkeit gewechselt. Manfred Horatz ist neuer Geschäftsführer und versichert, dass sich der aktuelle Prozess "gegen eine Privatperson richtet, die nicht mehr in Verbindung mit unserem Unternehmen steht".

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SZ vom 19.02.2020/wean
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