Süddeutsche Zeitung

30 Festnahmen in der Türkei:Polizei hebt Callcenter-Betrüger aus

Allein in München sollen die Täter mehr als 40 Mal zugeschlagen haben. Deutsche und türkische Behörden sind den falschen Polizisten seit Jahren auf der Spur. Nun waren sie erfolgreich.

Von Anita Naujokat

Den türkischen und deutschen Behörden ist ein Schlag gegen international agierende Telefonbetrüger gelungen. Die türkischen Sicherheitsbehörden haben am Samstag in sechs Städten des Landes 41 Objekte durchsucht und 30 Beschuldigte festgenommen - darunter auch den mutmaßlichen Kopf der Bande, der mehrere Callcenter betrieben habe.

Den Festgenommenen wird vorgeworfen, im Zeitraum von März 2020 bis März 2022 68 Straftaten getätigt zu haben. 55 sollen vollendet worden sein, gaben Désirée Schelshorn, stellvertretende Leiterin der AG Phänomene der Münchner Polizei, und Oberstaatsanwalt Kai Gräber, Abteilungsleiter der Staatsanwaltschaft München I gegen organisierte Kriminalität, am Mittwoch bekannt. Etwa 45 Delikte werden den Tätern allein in München zugeschrieben. Dazu kommen Fälle aus Egling, Dachau, Kulmbach und Baden-Württemberg. Hinzu kämen noch nicht erfasste Fälle.

Bei den Durchsuchungen in Mersin, Izmir, Istanbul, Trabzon, Antalya und Denizli seien insgesamt Vermögenswerte in Höhe von umgerechnet fast 1,6 Millionen Euro sichergestellt worden, darunter Autos, Gold und Geld in verschiedenen Währungen sowie zahlreiche Computersysteme. Von deren Auswertung erhoffen sich die Münchner Behörden Hinweise und Ermittlungsansätze gegen andere betrügerische Callcenter.

Das Vorgehen folge immer dem gleichen Schema, sagte Schelshorn: Sogenannte Keiler klickten Telefoneinträge in Deutschland mit alt klingenden Namen an, gäben sich als Polizisten aus und berichteten von einer festgenommenen Einbrecherbande, von der noch einige Mitglieder nicht gefasst wären. Bei den Einbrechern habe man einen Zettel mit Namen gefunden, auf dem auch die Angerufenen stünden. Die Polizei würde vorbeikommen, um das Vermögen zu Hause zu sichern. "Logistiker" im Callcenter seien dann dafür zuständig, die Geldabholung zu koordinieren und Abholer anzuweisen. Es gebe auch Logistiker in Deutschland, welche Abholer rekrutierten, dann noch die Einsammler und Kuriere.

Auf die größere Struktur der Bande waren die Münchner Ermittler Anfang 2020 gestoßen, berichtete Schelshorn. In Zusammenarbeit mit vielen deutschen Dienststellen habe man Informationen zusammengetragen und im Frühjahr 2021 gebündelt den türkischen Behörden in Mersin zukommen lassen, wo die Ermittlungen geführt werden.

Aufgeschreckt durch die kürzliche Verurteilung von 67 Männern und Frauen wegen organisierten Callcenter-Betrugs zu teils hohen Haftstrafen bis zu 400 Jahren Gefängnis für einen der führenden Köpfe in Izmir, habe der jetzt festgenommene Haupttäter wohl kalte Füße bekommen, sagte Gräber. Er soll noch versucht haben, seine Spuren zu verwischen und sich abzusetzen. Dass noch weitere Banden in dieser Dimension aus der Türkei agieren könnten, darüber habe man derzeit keine Kenntnisse, sagte Schelshorn.

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