Anschlag auf 23 Polizeiautos:Terror-Ermittler übernehmen Fahndung nach Brandstiftern von München

Lesezeit: 3 Min.

Derzeit ist unklar, wie viele Spezialfahrzeuge für Polizeihunde es nach der Zerstörung der Flotte überhaupt noch in München gibt. (Foto: Johannes Simon)

Bei einem Brandanschlag sind am Wochenende 23 Polizeifahrzeuge der Hundestaffel zerstört worden. Nun jagen Spezialisten der Generalstaatsanwaltschaft die mutmaßlichen Täter – denn diese könnten hinter einer ganzen Serie von Attacken stecken.

Von Stephan Handel, Ulrike Heidenreich und René Hofmann

Der Brand bei der Diensthundestaffel der Münchner Polizei, bei dem in der Nacht auf Samstag 23 Polizeifahrzeuge im Stadtteil Untermenzing in Flammen aufgingen, wird zum Fall für Terrorismus-Experten. Die Generalstaatsanwaltschaft München teilte am Montag mit, die Ermittlungen wegen des Verdachtes der Brandstiftung zu übernehmen. Geführt werden diese in der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. Es bestehe der Verdacht, so die Generalstaatsanwaltschaft, „dass diese Tat einer Serie politisch motivierter Straftaten zuzurechnen ist“.

Die Ermittlungsgruppe „Raute“, die sich mit der Brandanschlagserie im Raum München befasst, besteht aus Beamten des Polizeipräsidiums München, angrenzender Präsidien und des Landeskriminalamts. Es gibt es sie seit mehreren Jahren. Bisher hielt sie sich überwiegend bedeckt. Zunächst war unklar, ob der Anschlag in Untermenzing ebenfalls in die Serie passt, die „Raute“ untersucht. Nach der Erklärung der Generalstaatsanwaltschaft ist das eindeutig. Erstmals betonen die Experten offiziell: „Teilweise sind die Ziele der Brandstiftungen, wie Einrichtungen der Energieversorgung, Kommunikationsanlagen oder Bahnstrecken, der kritischen Infrastruktur zuzuordnen.“

Insgesamt wurden in den 45 Minuten, in denen die Flammen auf dem Gelände in einem Waldstück im Stadtteil Untermenzing loderten, 23 VW-Transporter der Hundestaffel zerstört. Hilfsangebote kommen inzwischen auch aus dem Ausland. Auch Österreich habe Ersatz in Aussicht gestellt, sagte Polizeipräsident Thomas Hampel: „Wir spüren eine große Solidarität, das tut gut.“

Derzeit ist nach Polizeiangaben unklar, wie viele Spezialfahrzeuge für Polizeihunde es nach der Zerstörung der Flotte überhaupt noch in München gibt. Das seien allenfalls einzelne. Nicht jedes Fahrzeug eigne sich, um Hunde zu transportieren. Auch die Münchner Feuerwehr hatte Unterstützung angeboten  allerdings müsse geprüft werden, ob die notwendige Sonderausstattung kurzfristig eingebaut werden könne, hieß es am Montag bei der Polizei.

SZ Plus23 Polizeiautos brennen in München
:„Terroristische Grundzüge“: Mindestens zwei Millionen Euro Schaden nach mutmaßlichem Brandanschlag

Auf einem Gelände der Hundestaffel gehen mehr als 20 Fahrzeuge in Flammen auf. Der Fall passt in das Muster einer mutmaßlichen Anschlagsserie. Innenminister Herrmann und Oberbürgermeister Reiter verurteilen die Tat. Wer steckt dahinter?

Von René Hofmann, Martin Bernstein und Stephan Handel

Gerade bei der Sicherung der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) in der Innenstadt kämen Spürhunde zum Einsatz, so Polizeipräsident Thomas Hampel. Weil die MSC nur eine Woche vor der Bundestagswahl am 23. Februar stattfinde und man mit einer „sehr hochrangigen Besetzung“ rechne, plane man zusätzlichen Aufwand ein.

Die Ermittler gehen davon aus, dass der Brand vorsätzlich gelegt wurde. Alle Fahrzeuge brannten vollständig aus; dem Augenschein nach war der Brand an mehreren Stellen ausgebrochen. „Aus meiner Sicht hat das schon terroristische Grundzüge“, hatte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gesagt. Die Polizei wollte sich zunächst nicht festlegen. Es gebe kein glaubhaftes Bekennerschreiben, hieß es am Montag lediglich.

Auch die Vermutung von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), „dass es sich um einen politisch motivierten Anschlag aus dem linksextremen Lager“ handle, wollte Polizeipräsident Hampel nicht kommentieren: „Das kann sein, muss es aber nicht. Insgesamt hat die Aggression aus dem linken Bereich zugenommen in den vergangenen Jahren.“

Er könne sich in den vergangenen 25 Jahren nicht an Brandanschläge auf Polizeifahrzeuge in vergleichbarer Größenordnung erinnern. Momentan seien auch Spezialisten für Brandentstehung vom Landeskriminalamt am Tatort: „Wir drehen jeden Stein um.“

Mit den vielen verschiedenen Bränden im Stadtgebiet und dem Landkreis München in den vergangenen Jahren sei inzwischen eine dreistellige Anzahl von Beamten befasst gewesen, hieß es aus dem Präsidium.

Die Diensthundestaffel der Münchner Polizei verfügt über rund 50 Hunde. Sie sind jeweils in einem Spezialgebiet ausgebildet: Rauschgift zu finden, Banknoten, Sprengstoff, Datenträger, Leichen, Brandmittel oder Personen. Zudem absolvieren die Diensthunde Einsätze als Schutzhund, dazu gehören die Fährtensuche, die Suche nach Tatmitteln, etwa Waffen im freien Gelände, das Aufstöbern von Personen in Gebäuden oder das kontrollierte Beißen oder Stoßen von Personen.

Die Ausbildung beginnt, wenn das Tier ein Jahr alt ist, und dauert rund 24 Monate. Der Hundeführer kommuniziert mit seinem Tier durch Worte und durch Gesten  Gesten versteht der Hund sogar besser als mündliche Befehle. Sein wichtigstes „Spürmittel“ ist der Geruchssinn. Denn Hunde können nicht besonders gut sehen und der Gehörsinn ist zwar gut ausgebildet, wird aber bei den Polizeiaufgaben selten benötigt.

Die Hundestaffel sichert zum Beispiel die Münchner Sicherheitskonferenz im Hotel „Bayerischer Hof“, die in drei Wochen wieder stattfindet. (Foto: Stephan Rumpf)

Für die meisten Spezialaufgaben werden deutsche oder belgische Schäferhunde eingesetzt, etwa Malinois. In der Personensuche sind Bayerische Gebirgsschweißhunde besonders talentiert. Ein Diensthund sollte agil sein und über einen natürlichen Spieltrieb verfügen, außerdem gerne Futter annehmen  bei erfolgreicher Ausführung einer Ausgabe erhält er eine Belohnung.

Wenn das Tier einem Hundeführer zugeteilt ist, bleibt er seine ganze Dienstzeit  und darüber hinaus  bei diesem. Die Tiere werden zwar vom Präsidium gekauft, leben aber bei ihrem Führer zu Hause. Bis zum Alter von etwa elf Jahren können sie im Dienst eingesetzt werden. Danach bleiben sie bei ihrem Herrchen  und bekommen sogar eine Art Rente, 75 Euro im Monat, von der unter anderem das Futter bezahlt wird. Auch die tierärztliche Versorgung bezahlt das Präsidium.

„Ein Diensthund ist nicht nur ein Einsatzmittel, sondern auch ein bester Freund und Familienmitglied“: So schätzt das Präsidium die Haltung der Hundeführer zu ihren Tieren ein. „Es besteht eine enge Bindung zwischen dem Diensthund und dem Diensthundeführer, welche sich durch die Ausbildung, die gemeinsam zu absolvierenden Prüfungen und die darauffolgenden Echteinsätze stetig steigert.“

Das Gebäude der Diensthundestaffel in Untermenzing wird von den Beamten und ihren Tieren mitunter als nächtliche Anlaufstelle genutzt. In der Nacht auf Samstag war dies allerdings nicht der Fall. Aus diesem Grund blieb das Feuer unentdeckt, bis ein Anwohner Alarm schlug.

© SZ/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMehr als 30 Sabotageakte in eineinhalb Jahren
:Polizei sucht Münchner Feuerteufel -und vermutet politische Hintergründe

Durch mutmaßliche Sabotage sind Millionenschäden in den Bereichen Energieversorgung, Kommunikation und Bahn entstanden. Doch niemand bekennt sich zu der nun seit Jahren anhaltenden Serie der Brandanschläge im Raum München.

Von Martin Bernstein

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: