Münchner Stadtrat:Die Allianzen der kleinen Parteien im Rathaus

Münchner Stadtrat: Machen gemeinsame Sache: Dirk Höpner von der München-Liste, Tobias Ruff von der ÖDP und Hans-Peter Mehling von den Freien Wählern (von links).

Machen gemeinsame Sache: Dirk Höpner von der München-Liste, Tobias Ruff von der ÖDP und Hans-Peter Mehling von den Freien Wählern (von links).

(Foto: Robert Haas, Stephan Rumpf (2))

Nur wer mindestens vier Stadträte mitbringt, erhält den Status als Fraktion - und damit enorme Vorteile. Die meisten, die zur Wahl angetreten sind, scheiterten an dieser Hürde, deswegen schmieden sie nun Bündnisse.

Von Heiner Effern

Alles blickt auf die Stichwahl am Sonntag und die Frage, welches Bündnis im Stadtrat künftig die Mehrheit bilden wird. Doch bevor die Sondierungsgespräche der großen Parteien kommende Woche wohl offiziell beginnen werden, sind die Telefone bei den kleinen schon heiß gelaufen. Auch bei ihnen sind Verhandlungen dringend nötig, denn keine Partei außer den Grünen, der CSU und der SPD hat es geschafft, die nötigen vier Stadträte für eine eigene Fraktion in den Stadtrat zu bringen. Da der Fraktionsstatus enorme Vorteile bei der Besetzung wichtiger Gremien bringt, dürften die meisten dies anstreben. Eine erste neue Fraktion hat sich auch schon gefunden: Die ÖDP und die Freien Wähler werden sich zusammenschließen.

Die neue Fraktion verfügt über fünf Stadträte, drei von der ÖDP und zwei von den Freien Wählern. Dieser Fraktion wird sich als einzelner Stadtrat auch noch Dirk Höpner anschließen, nicht aber die München-Liste als Gruppe, für die er als Oberbürgermeisterkandidat angetreten war. Das bestätigte Tobias Ruff, Spitzenkandidat der ÖDP: "Bei uns ist es in allen Gremien durch." Auch die Freien Wähler erklären die Gespräche mit der ÖDP für erfolgreich abgeschlossen: "Wir waren uns in den zentralen Themen relativ nahe. Es war deshalb nicht so schwer", sagte Spitzenkandidat Hans-Peter Mehling. Und auch Höpner von der München-Liste ist sehr zufrieden, sich der Fraktion anschließen zu können. "Das macht am meisten Sinn", sagte er.

Die insgesamt dann sechs Stadträte der neuen Fraktion werden aller Voraussicht nach die viertstärkste Kraft im Stadtrat sein. Sie eint ihre kritische Haltung zum Wachstum der Stadt. Zudem sind alle drei Parteien und Gruppen im Bürgerbegehren gegen maßlose Nachverdichtung engagiert. "Wir werden eine führende Rolle in der Opposition spielen", sagte der designierte Fraktionssprecher Ruff. Sein Stellvertreter soll Mehling werden, der das aufgrund des Wahlergebnisses akzeptiert. Die ÖDP hatte mit vier Prozent eineinhalb mehr erhalten als die Freien Wähler.

Die anderen kleinen Parteien - insgesamt sind zehn bei drei Mandaten und weniger gelandet - sind meist noch am Verhandeln. Die Rosa Liste ist die einzige, die schon einen Partner gefunden hat. Wie in den vergangenen Jahren wird sich ihr einziger Stadtrat Thomas Niederbühl wieder den Grünen anschließen. "Er war beim ersten Treffen der neuen Fraktion schon dabei", sagt der jetzige Fraktionsvize und Stadtvorsitzende Dominik Krause.

Mit drei Mandaten noch auf der Suche nach einem Partner sind die Linke und die FDP. Im politischen Speeddating auch noch frei sind die Einzelkämpfer von Volt, der Partei und der Bayernpartei. Während FDP und Bayernpartei konsequent schweigen und beide auf die kommende Woche verweisen, sagt der künftige erste Stadtrat von Volt, Felix Sproll, dass er schon viele konstruktive Gespräche führe. Und zwar, so Sproll, mit den politischen Parteien, die einen ähnlichen Schwerpunkt auf Europa legen wie sie.

Mehr Einfluss, mehr Posten

Die magische Zahl im Münchner Stadtrat lautet vier. So viele Mitglieder sind nötig, um eine Fraktion zu bilden. Schafft das eine Partei nicht, kann sie sich Partner suchen. Nach der Kommunalwahl blieben alle Parteien außer Grüne, CSU und SPD unter dieser Grenze. Die ÖDP (drei Mandate), Linke (drei), FDP (drei), AfD (drei), Freie Wähler (zwei), Bayernpartei, Rosa Liste, München-Liste, die Partei, Volt (alle einen Sitz) mussten nun entscheiden, ob sie entsprechende Gespräche aufnehmen.

Eine Fraktion bringt im Alltagsgeschäft große Vorteile mit sich. Nur diese können zum Beispiel Mitglied im Ältestenrat werden, der grundsätzliche Entscheidungen zum politischen Ablauf trifft und dafür vor jeder Vollversammlung zusammenkommt. Auch weitere attraktive Posten sind nur für Fraktionen zugänglich: Sie dürfen sogenannte Koreferenten stellen, die ein städtisches Referat als ehrenamtlicher Stadtrat betreuen. Zudem lohnt es sich auch finanziell: Nur Fraktionen können einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter wählen, die eine deutlich höhere Grundaufwandsentschädigung erhalten als ein normaler Stadtrat. Entscheidend ist aber, dass eine Fraktion ihre Mitglieder in alle Ausschüsse schicken kann.

Wer sich zu einer Fraktion zusammenschließt, muss sich eine Geschäftsordnung geben und eine gemeinsames inhaltliches Programm. Daneben gibt es die Möglichkeit, eine Ausschuss-Gemeinschaft einzugehen. Diese dient dazu, möglichst viele Ausschüsse zu besetzen, bedingt aber kein gemeinsames Programm. Daneben können Parteien als Gruppierung mit zwei oder drei Stadträten auftreten. Am schwersten haben es Einzelkämpfer. Sie dürfen nur Vollversammlungen besuchen. heff

Möglich scheint auch eine Zusammenarbeit von Linken und den Satirikern von Die Partei

Im Moment sei man besonders mit SPD und Grünen in einem guten Austausch. Die Verhandlungen mit der Linkspartei und der FDP würden dagegen ruhen. Sproll ist zuversichtlich, dass er einen Partner finden wird, der ihn auf Fraktionsebene bringt. "Alleine zu bleiben ist für mich keine Option, da kann man nichts bewegen." Da sich die ÖDP, mit der Volt auf Europa-Ebene kooperiert, schon anderweitig festgelegt hat, ist auch diese Option nicht wahrscheinlich, aber für ihn noch nicht ausgeschlossen.

Die FDP gehört zu den Parteien, die dringend noch jemand suchen. Als wahrscheinliche Alternativen bleiben ihr in der jetzigen Konstellation nur die Bayernpartei oder Volt. Mit der Bayernpartei gibt es inhaltliche Übereinstimmungen, bisher war das oft der kritische Blick auf die Stadtfinanzen. Grundsätzlich läge aber der gemeinsame Europa-Gedanke von Volt näher als der Sezessionismus der Bayernpartei.

Doch Volt wiederum engagiert sich mit dem künftigen Stadtrat Sproll im Volksbegehren Mietenstopp, was die FDP ihren Wählern erst mal erklären müsste. Besonders gut scheinen die Gespräche nicht zu laufen. Die Bayernpartei könnte sich von der politischen Basis her auch Richtung CSU orientieren. Und wenn sich dann Volt lieber auf Regierungshoffnungen in Richtung SPD und Grüne aufmacht, könnte die FDP am Ende als Verlierer dastehen.

Drei stünden aktuell noch ganz ohne Fraktion da. Mit der AfD spricht wohl niemand. Bleiben die Linke mit ihren drei Stadträten und Marie Burneleit von der Partei. Von denen ist noch nichts zu hören, was viel bedeuten kann - oder auch nicht. Nur so viel: München wäre nicht die erste Kommune, in denen die beiden eine Fraktion bilden würden.

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