Nachdem im Abwasser von vier deutschen Städten, darunter München, genetisches Material von Polioviren nachgewiesen wurde, empfiehlt das Robert-Koch-Institut (RKI), den Impfstatus gegen Kinderlähmung zu überprüfen. In einer Folgeuntersuchung des Münchner Abwassers der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) seien jedoch keine Polioviren mehr nachgewiesen worden, heißt es in einer Mitteilung der Stadt am Freitag. Auch seien bisher deutschlandweit keine Polio-Verdachtsfälle oder Erkrankungsfälle bekannt.
Die Abwasser-Untersuchungen finden seit 2023 im Rahmen eines Forschungsprojekts regelmäßig statt, die Proben werden auch auf andere Erreger untersucht, etwa auf Sars-CoV-2 oder Influenza. Dies diene als „innovatives und präventives Frühwarnsystem“, so das Gesundheitsreferat.
Die Stadtverwaltung empfiehlt Bürgerinnen und Bürgern eine Vervollständigung oder Auffrischung ihrer Polio-Impfung entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission Stiko. Man stehe seit Bekanntwerden des Ergebnisses in engem Austausch mit der LMU, dem RKI sowie dem bayerischen Gesundheitsamt, die ebenfalls am Abwasser-Monitoring beteiligt sind.
Der gefundene Erreger ist laut RKI kein Wildtyp des Poliovirus, sondern Schluckimpfstoff-abgeleitet. Das heißt, er geht zurück auf die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung mit abgeschwächten, aber lebenden Polio-Erregern. Diese wird in Deutschland seit 1998 nicht mehr von der Stiko empfohlen. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Schluckimpfung-abgeleiteten Erreger importiert wurden. Sie können von Geimpften mehrere Wochen lang nach der Einnahme ausgeschieden werden. Auch in Barcelona und Warschau wurden kürzlich solche Viren in Abwasserproben nachgewiesen.
Poliomyelitis, als Kinderlähmung bekannt, ist eine hochansteckende Krankheit, die vor allem Kinder unter fünf Jahren betrifft und bei nicht ausreichend immunisierten Personen im schlimmsten Fall zu dauerhaften Lähmungen führen kann. Sie wird vor allem durch Schmierinfektion übertragen, weshalb eine sorgfältige Händehygiene empfohlen wird. In den meisten Regionen der Welt gilt die Kinderlähmung heutzutage als ausgerottet. Maßgeblich dazu beigetragen hat laut RKI die Verwendung der Schluckimpfung. Da weltweit nur noch sehr wenige durch Wildviren verursachte Polio-Fälle auftreten, sei es wichtig, durch gezielte Impfkampagnen die Zirkulation von Impfstoff-abgeleiteten Polio-Erregern schnellstmöglich zu unterbrechen.