Stammstrecken-Desaster:Pofalla bringt Bayerischen Landtag gegen sich auf

Stammstrecken-Desaster: Der frühere Bahnvorstand Ronald Pofalla bei einem Besuch des elektronischen Stellwerks München Ost im Jahr 2021.

Der frühere Bahnvorstand Ronald Pofalla bei einem Besuch des elektronischen Stellwerks München Ost im Jahr 2021.

(Foto: Friedrich Bungert)

Der langjährige CDU-Spitzenpolitiker verärgert mit seinem Auftritt den Untersuchungsausschuss zur S-Bahn so sehr, dass er als Zeuge nochmal nach München kommen muss. "Noch arroganter und überheblicher geht es nicht", heißt es über den früheren Bahnvorstand.

Von Klaus Ott

Ronald Pofalla ist ein politischer Profi; er war unter anderem CDU-Generalsekretär und dann sogar jahrelang Kanzleramtsminister bei Angela Merkel. Aber wie ein Polit-Profi hat er sich jetzt im Bayerischen Landtag nicht verhalten. Im Gegenteil: Bei einem Auftritt als Zeuge im Untersuchungsausschuss zum Desaster bei der zweiten Stammstrecke der Münchner S-Bahn schaffte es Pofalla, das Parlament so zu verärgern, dass der Ausschuss kurzen Prozess machte.

Die Zeugenbefragung wurde nach ausschweifenden Erklärungen Pofallas und mehreren verbalen Hakeleien unterbrochen; ein zweiter Termin folgt. Für den früheren Kanzleramtsminister und späteren Bahnvorstand bedeutet das: Er muss noch einmal nach München kommen, er wird gewissermaßen in den Landtag zitiert, was einer Strafaktion gleichkommt.

Offiziell lautet der Grund: Aus Pofallas Stellungnahme hätten sich so viele "neue offene Fragen" ergeben, dass ein neuer Zeugentermin nötig sei. Inoffiziell lautet der Grund: So gehe man mit dem bayerischen Parlament nicht um. "Noch arroganter und überheblicher geht es nicht", heißt es aus dem Ausschuss über Pofalla. "Wir lassen uns nicht verarschen", sagte der Grünen-Abgeordnete Martin Runge.

Der Ex-Bahnvorstand sollte im Landtag aussagen, wie es dazu kommen konnte, dass die zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn mehrere Milliarden Euro teurer und viele Jahre später fertig wird, als ursprünglich geplant. Bis vor einem Jahr war Pofalla im Vorstand der Deutschen Bahn (DB) für die Infrastruktur des Staatsunternehmens zuständig gewesen; und damit auch für das Großprojekt zweite Stammstrecke. Doch bereits mit einer sehr ausführlichen Eingangsstellungnahme verärgerte Pofalla den U-Ausschuss und dessen Vorsitzenden Bernhard Pohl von den Freien Wählern.

Pohl versuchte mehrmals vergeblich, Pofallas Redefluss zu stoppen und mit der Zeugenbefragung zu beginnen. Pofalla widersprach: "Ich lege Wert darauf, das im Zusammenhang darzustellen." Als Pohl mit den Worten "Herr Pofalla ..." erneut ansetzte, ließ ihn der Ex-Kanzleramtsminister und Ex-Bahnvorstand erst gar nicht ausreden. "Sie müssen hinnehmen, dass ich Ausführungen mache." Diese Ausführungen wiederum liefen erkennbar darauf hinaus, jegliche Verantwortung für das Münchner S-Bahn-Desaster von sich zu weisen. In diesem Zusammenhang wies Pofalla auch frühere Einwände des Bundesrechnungshofes (BRH) zurück. Der BRH habe "nachweisbar Unrecht gehabt".

Schließlich wurde es dem Ausschusschef Pohl zu bunt. Er wollte Pofalla noch letzte fünf Minuten für seine Eingangs-Stellungnahme geben, dann werde man mit den Fragen beginnen. Pofalla entgegnete: "Ich lasse mich zeitlich nicht beschränken." Zwischendurch gab sich Pofalla plötzlich generös. Er verzichte darauf, einen bestimmten Aspekt darzustellen, "um ihnen entgegen zu kommen". Ganz generell könne er aber sagen: Von der Bahn sei "nichts versteckt worden", was Kosten und Dauer des Projekts anbelange.

"Antworten Sie jetzt mal auf die Frage"

Genau das will der Ausschuss ja aufklären: Warum hat die bayerische Staatsregierung jahrelanges Wissen über das sich anbahnende Desaster für sich behalten, statt die Bevölkerung in der Region München darüber zu informieren?

Als nach Pofallas Stellungnahme die Fragen begannen, war es auch schnell schon wieder vorbei. Ausschusschef Pohl war zunehmend genervt vom Auftritt des widerspenstigen Zeugen: "Antworten Sie jetzt mal auf die Frage." Als Pofalla bestimmte Termine von ihm als damaligen Bahnvorstand mit der Staatsregierung nochmals benennen sollte und meinte, dies sei doch schon geschehen, unterbrach Pohl die Sitzung und verkündete nach einer internen Beratung, dass man die Zeugenbefragung jetzt beende. Pofalla müsse nochmals kommen. Wer das Recht, eine Erklärung abzugeben, "so weit ausdehnt, muss eben mit einer intensiven Befragung rechnen".

Nach Pofalla war dessen Nachfolger im Vorstand der Bahn dran, Berthold Huber. Der verzichtete auf ein Eingangsstatement, sorgte bei seiner Berufsbezeichnung mit einer ironischen Bemerkung über sich als "leitender Angestellter" für Heiterkeit und antwortete auf die zahlreichen Fragen kurz, klar und präzise. Zur Freude des Ausschusses und seines Vorsitzenden Pohl. "So kann's auch gehen." Die Opposition verstieg sich sogar zu dem Lob: "Sie sind einer unserer besten Zeugen bisher."

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