Die Münchnerinnen und Münchner dürfen von sofort an auf die öffentlichen Plätze der Stadt umziehen. Natürlich nicht mit Sack und Pack, aber mit Tischen, Stühlen, wetterfesten Euro-Paletten oder sonstigen kreativen Möbelstücken. Für München dazu außergewöhnlich: Die Miete für die Flächen beträgt null Euro. Das beschloss der Kreisverwaltungsausschuss am Dienstag.
Ganz so leicht, wie es klingt, lassen sich die sogenannten Stadtterrassen aber nicht einrichten. Interessierte müssen sich das Einverständnis ihres Bezirksausschusses sichern, dann muss das Kreisverwaltungsreferat (KVR) zustimmen. Dazu müssen Verantwortliche benannt werden, die sich etwa um Sauberkeit kümmern. Die einmalige Verwaltungsgebühr beträgt 50 Euro.
Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle (SPD) verspricht allerdings, dass seine Behörde "mit Augenmaß und größtmöglicher Liberalität" vorgehen werde. Auch wenn es absehbar Konflikte und Beschwerden wegen Lärm oder Müll geben werde, dürfe man dies nicht zum alleinigen Kriterium machen. "Das wäre ein Totschlagargument." Im Gegenteil müsse man gerade in der Pandemie, in der die Leute in so großer Zahl nach draußen drängten, "Dinge mal probieren". Man könne so auch das Geschehen auf Party-Hotspots entzerren.
Damit es keinen kompletten Wildwuchs gibt, hat das KVR aber schon ein paar Regeln festgelegt. Zum Beispiel ist das Abspielen von Musik verboten. Stühle, Tische oder andere Möbel dürfen nicht fest im Boden verankert werden. Zur nächsten Gastronomie soll ein Abstand von etwa 50 Metern bestehen, damit nicht nur schleichend die Außenflächen von Gaststätten wachsen. Die maximale Größe beträgt 75 Quadratmeter.
Dazu sollen die Stadtterrassen explizit ein Angebot für alle sein, nicht etwa privater Balkonersatz für die Anwohner. Jeder kann sie nutzen, ohne sich dabei etwas kaufen zu müssen. Das ist auch SPD-Stadträtin Lena Odell wichtig, die den Antrag vorangetrieben hat. Die Münchnerinnen und Münchner sollen sich den öffentlichen Raum "konsumfrei erobern", sagte sie im Stadtrat. Am Breisässerplatz in Haidhausen habe eine private Initiative schon länger Sitzmöbel aufgestellt. "Da funktioniert es richtig gut." Sie sieht in dem Projekt eine "fantastische Möglichkeit", den Sommer in der Stadt auf eine neue Art zu genießen.
Ganz so euphorisch waren nicht alle Stadträte, doch dagegen stimmte nur die CSU. Sie fürchtet eine "Übermöblierung des öffentlichen Raums", sagte Stadtrat Thomas Schmid, dazu Lärm und Dreck. Die CSU nimmt schon jetzt einen "Aufschrei in der Bevölkerung" wahr, die Leute seien "extrem genervt vom Draußen-Feiern". Es sei Anwohnern nicht zuzumuten, dass noch mehr Leute auf den Straßen unterwegs seien. Stadträtin Marie Burneleit (die Partei) konterte, dass es in einer Großstadt nicht nur "das Recht auf Stille, sondern auch auf Lärm" gebe.
Und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) stellte süffisant fest, dass die CSU offenbar nur für das Draußen-Feiern stimme, wenn Gastwirte damit ein Geschäft machen könnten. Ihm seien "zu viele Autos auf den Straßen, nicht zu viele Menschen". Zugelassen sind die Stadtterrassen für diesen Sommer, danach soll das KVR Bilanz ziehen und einen Vorschlag für 2022 unterbreiten.