Konzert im Münchner Olympiastadion:"Still not dead yet"

Phil Collins auf der Bühne im Olympiastadion in München

Phil Collins auf der Bühne im Olympiastadion

(Foto: Robert Haas)

Im Golfwagen wird Phil Collins die Bühnenrampe hochgefahren, wo er auf einen Gehstock gestützt zum Hochsitz humpelt. Seinen Witz hat der Weltstar nicht verloren, wie schon der Titel seiner Tour zeigt.

Von Michael Zirnstein

Heutzutage ist 68 kein Alter. Phil Collins aber ächzt wie der romanbekannte Hundertjährige. Nur dass der Musiker eben nicht vor der letzten Jubelfeier aus dem Fenster steigt und verschwindet, sondern sich im Golfwagen die Bühnenrampe hochfahren lässt, wo er auf einen Gehstock gestützt zu dem Hochsitz humpelt, in dem er das ganze Brimborium ihm zu Ehren dirigieren wird. "Still not dead yet", hat er die Tour genannt: "Immer noch nicht tot." Haha, so spielt ein 250-Millionen-Tonträger-schwerer Weltstar mit dem Exodus.

"Take a look at me now", fordert er die 50 000 im Olympiastadion in der Eröffnungsnummer auf, heute eine Kampfansage gegen die Gebrechen, "against all odds". "Ich hatte eine Rückenoperation, mein Fuß ist gefuckt", so erklärt er sarkastisch auf Denglisch den Umstand, warum nicht nur die Fans auf den 200-Euro-Sitzen in der vorderen Arenahälfte sitzen dürfen, sondern auch er, der hier noch 2007 mit Genesis köstlich herumkasperte.

Den Witz hat Collins nicht verloren. Vielleicht die Beinkraft, einen Teil des Gehörs und das Fingerspitzengefühl. Er muss aber auch nicht mehr selbst trommeln. Die männlichen Fans übernehmen das, spielen Luftschlagzeug zu jeder dieser bumpernden Nummern; sein Percussionist Richie "The Octopus" Garcia jagt einen furiosen Afro-Latin-Schmiss hinein; dann ist da noch der andere Collins, Nicholas, der 18-Jährige füllt den Platz hinterm Schlagzeug und im Herzen des stolzen Papas.

Als sich bei Collins' Comeback 2017 ergab, dass der hübsche Sohnemann mit auf Tour gehen würde, hörte der sich all die alten (neue gibt es ja seit Jahren nicht) Songs durch - "einer hat ihm gefallen, den sollte ich ihm beibringen", erzählt Phil, "ich konnte mich aber nicht mehr daran erinnern ...". Jetzt spielen sie diese Ballade vom ersten Soloalbum "Face Value" von 1981 zusammen, Nicholas am Klavier, Phil singt: "You know what I mean." Danach umarmt der Sohn den Vater von hinten. Das rührt. Es geht zu wie beim Familienfest.

Alle Freunde sind da, klopfen dem Alten ständig auf die Schulter, wie der Gitarrist Daryl Stuermer und der Gandalf-bärtige Bassist Leland Sklar, seit 40, 50 Jahren mit Collins unterwegs. Nur Genesis-Schlacks Mike Rutherford fehlt, der bisher auf Tour mit seinen Mechanics anglühte, so kommt es auch nicht zur emotionalen Mini-Reunion bei "Follow You, Follow Me". Aber die Vierzehn-Mann-Band fetzt die Gassenhauer der uncoolsten aller Jahrhundert-Bands wie "Invisible Touch" und "Throwing It All Away" natürlich genauso funky und hochenergetisch hin, wie sie atemlos die Solo-Oldies auftürmt: die Mystik-Musik "In The Air Tonight", den Tanzschul-Jive "You Can't Hurry Love", den Earth, Wind & Fire-Groove-Marathon "Easy Lover" und zum Finale "Sussudio".

Der Meister Phil Collins selbst hält sich zurück, fügt seine koboldhafte Stimme ein, setzt Akzente, darf im Cajon-Trio mal einen fein schleichenden Beat patschen und wird dafür mehr gefeiert denn je. Geschichte wird nachgemacht, es geht zurück. Aber das war auch mal nötig, mit Abstand hört man neu und anders, was sich einst verbraucht hat. Alles gut und noch nicht zu Ende.

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