Wohnen im Alter:Nicht noch mehr Pflegeheime

Wohnen im Alter: Die Pläne für 1000 zusätzliche Plätze in neuen Pflegeheimen sollen auf den Prüfstand.

Die Pläne für 1000 zusätzliche Plätze in neuen Pflegeheimen sollen auf den Prüfstand.

(Foto: Bodo Marks/picture alliance/dpa)

Die grün-rote Rathauskoalition will statt immer neuer Einrichtungen lieber spezielle Wohnprojekte mit pflegerischen Angeboten schaffen. Denn die Bedürfnisse der Münchnerinnen und Münchner haben sich längst verändert.

Von Sven Loerzer

Der Illusion, dass man im Alter unverändert so lebt wie in jüngeren Jahren, kann man sich hingeben, solange keine gesundheitlichen Probleme auftreten und das Geld reicht. Sofie Langmeier und Anne Hübner machen sich solche Illusionen nicht, auch wenn sie unterschiedlichen Generationen angehören. Sofie Langmeier, Stadträtin der Grünen/Rosa Liste, zählt zur Generation der Baby-Boomer und setzt lieber darauf, jetzt zu gestalten, wie sie selbst einmal in vielleicht 20 Jahren leben wird.

Anne Hübner, Vorsitzende der SPD/Volt-Stadtratsfraktion, wiederum macht sich Gedanken, wie dann ihre Eltern versorgt sein werden. Und ärgert sich darüber, dass beim Seniorenwohnen trotz einer Initiative ihrer Fraktion im Jahr 2020 bisher kaum etwas vorangeht. Beide Rathauspolitikerinnen sind alles andere als glücklich darüber, dass das Sozialreferat vor allem darauf setzt, die Pflegeplätze in Heimen auszubauen: 1000 Plätze sollen bis 2030 neu entstehen.

Dabei sind rund drei Prozent der 8500 Betten in Pflegeheimen derzeit frei, weitere 300 können wegen des Fachkräftemangels nicht belegt werden. "Die Pflegelandschaft steht vor einem Umbruch", sagt Hübner. Die Seniorinnen und Senioren wollten so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden bleiben. Das Bild von Altenheimen, in denen Seniorinnen und Senioren noch zehn oder 15 Jahre leben, sei völlig überholt. Die Verweildauer in der stationären Pflege "geht auf ein halbes Jahr herunter", sagt Langmeier.

"Nur Menschen mit Demenz sind dort noch eine längere Zeit", beschreibt Hübner die Situation. Allem Werben von Heimträgern zum Trotz, ziehen Menschen heute meist erst dann in ein Pflegeheim, wenn alle anderen Lösungen versagen. "Niemand, der ein Pflegeheim betritt, möchte da hin, wenn es nicht absolut notwendig wäre."

Daraus aber müssten endlich Konsequenzen gezogen werden: Die beiden Rathausfraktionen treten deshalb dafür ein, bestehende Planungen zu überprüfen, vor allem für das neue Pflegeheim in Freiham und die beiden Münchenstift-Wohnheime, die bald saniert werden sollen, das Karl-Rudolf-Schulte-Haus in Milbertshofen und das Margarete-von-Siemens-Haus in Hadern. So stelle sich die Frage, ob stattdessen nicht Wohnprojekte mit ambulanten Angeboten oder Tages- und Nachtpflegeplätzen besser den Bedürfnissen der Menschen gerecht werden.

Alle Planungen für Pflegeheime auf städtischen Flächen sollten nach Möglichkeit durch solche Wohnprojekte ersetzt werden, verlangen SPD und Grüne: "Der Wunsch nach eigenständigem Wohnen im Alter, möglichst im vertrauten Stadtbezirk, ist bei städtischen Planungen künftig deutlich höher zu gewichten als der nach einem Pflegeplatz direkt in der Nähe der alten Wohnung." Nicht jedes neue Stadtviertel brauche ein eigenes Heim, betont Grün-Rot in einem Antrag, zumal die Stadt bereits über 57 gut erreichbare Heime verfüge. "Aber jeder ältere Mensch soll möglichst lange eigenständig in einem angemessenen und bezahlbaren Zuhause wohnen können."

München hat ein dichtes Netz aus Alten- und Servicezentren

Dabei gelte es auch neue Modelle zu entwickeln und Vorbilder aus anderen Städten aufzugreifen: Etwa die Quartierpflege in Leipzig, bei dem ein Helferkreis aus Nachbarn die Grundversorgung hilfebedürftiger Menschen übernimmt, koordiniert von hauptamtlichen Personal.

So könne sich zum Beispiel ein Nachbar darum kümmern, einmal in der Woche den Einkauf hochzutragen, sagt Sofie Langmeier, oder mal vorzulesen. Manches lässt sich ehrenamtlich bewältigen, andere Tätigkeiten, etwa im Haushalt, würden entlohnt. München habe zwar ein sehr dichtes Netz aus Alten- und Servicezentren, aber angesichts des Fachkräftemangels müsse man versuchen, noch stärker die Selbsthilfe zu aktivieren.

Überarbeitet und ergänzt werden soll auch das seniorenpolitische Gesamtkonzept, das noch aus dem Jahr 2012 stammt. Dabei sollte ein besonderer Schwerpunkt auf die Förderung, Teilhabe und Chancengleichheit älterer Migrantinnen und Migranten gelegt werden, betont Sofie Langmeier. Um aus den Erfahrungen anderer Städte zu lernen, soll München zudem Mitglied im Netzwerk "Age friendly Communities" werden, in dem sich Städte zusammengetan haben, um durch länderübergreifenden Austausch altersfreundlicher zu werden.

Und nicht zuletzt verlangen Grüne und SPD auch, den Hitzeschutz alter Menschen in der Pflege in den Blick zu nehmen. Angesichts der Hitzeperioden, die für Pflegebedürftige besonders belastend sind, müssten geeignete Aufenthalte im Kühlen geschaffen werden.

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