Der Kriminalpolizist, der jahrelang in privaten Chats mit antisemitischen Sprüchen gegen jüdische Personen hetzte, für deren Sicherheit er als Personenschützer verantwortlich war, ist zurück im Dienst. Allerdings gegen den erklärten Willen seines Arbeitgebers, des Münchner Polizeipräsidiums. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat verhindert, dass der 45-Jährige aus dem Dienst entfernt wird.
Das in zwei Instanzen vor Gericht unterlegene Polizeipräsidium will den Beamten jedoch nicht mehr bei Einsätzen, Vernehmungen oder in anderen Funktionen mit Außenwirkung sehen. Der zum Kriminalobermeister zurückgestufte Polizist werde seit dem Urteil im Innendienst eingesetzt und dort von seinen Vorgesetzten „sehr eng begleitet“, sagte Polizei-Pressesprecher Thomas Schelshorn.
Das Urteil selbst wollte man im Polizeipräsidium nicht kommentieren. Die Tatsache, dass man den Kriminalpolizisten nach der Entdeckung der judenfeindlichen Chats habe aus dem Dienst entfernen wollen, und dass man gegen das milde Urteil der ersten Instanz in Berufung gegangen sei, sei „Kommentar genug“, merkte Schelshorn an.
Die Dienstvergehen des Polizisten liegen mehrere Jahre zurück. Von 2014 bis 2016 war der Beamte als Personenschützer eingesetzt. Er sollte sich um die Sicherheit des damaligen israelischen Generalkonsuls in München, Dan Shaham, und der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Charlotte Knobloch, kümmern. Gegen seine Schutzpersonen hetzte er in Chats mit unflätigen antisemitischen Äußerungen, wünschte ihnen gar die Einlieferung in Konzentrationslager. Im Chat benutzte er Kürzel für Nazi-Parolen wie „Sieg Heil“ oder „Heil Hitler“.
Diese verunglimpfenden Chats über die zu schützenden Personen waren nach Auffassung des Polizeipräsidiums „das Schlimmste“. „Es sprengt jeglichen Rahmen“, sagte eine Vertreterin der Behörde in der Verhandlung der ersten Instanz, wenn man derartige Symbole und Ausdrucksweisen wieder gesellschaftsfähig mache.
Nach Auffassung des Polizeipräsidiums zeigte der Beamte bis zu seiner Zwangsbeurlaubung im Jahr 2020 eine „über Jahre verfestigte“ Nähe zu rechtsradikalen und nationalsozialistischen Ideologieinhalten, „welche er durch seine zahlreichen Äußerungen, die auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung und die Identifikation mit verwerflichem Gedankengut hindeuteten, nach außen kundgetan und verbreitet habe“.
Für das Gericht überwiegt das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung
Die Münchner Ehrenbürgerin Charlotte Knobloch sagte am Dienstag: „Judenhass ist leider überall zu finden. Aber bei denen, die Minderheiten schützen, sollte das nicht der Fall sein.“ Sie wünsche sich in der Justiz ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass Judenhass nicht nur jüdische Menschen bedrohe, sondern die Demokratie und mit ihr den Rechtsstaat.
Alles halb so schlimm, urteilte dagegen der bayerische Verwaltungsgerichtshof. Das Gericht verwies in seinem Urteil darauf, dass die Äußerungen in privaten Chats mit befreundeten Personen gefallen seien. In diesem Fall überwiege das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung.
Gegen die Annahme einer verfassungsfeindlichen Gesinnung spreche zudem, „wenn in einem Chat ein auf kurzfristige ‚Lacher‘ angelegter Überbietungswettbewerb an geschmacklosen und menschenverachtenden Bemerkungen“ stattgefunden habe. Die Worte „Lacher“ und „Scherz“ finden sich mehrmals im Urteil. Die Richter wollten nicht ausschließen, „dass der Beklagte den Gehalt seiner Postings nicht ernst gemeint hat“ und dass eine „Unterhaltungskomponente“ im Vordergrund gestanden haben könnte.