Gastronomie in München:Welche Folgen der Engpass bei Küche und Service hat

Gastronomie in München: Gesuchte Arbeitskraft: Eine Bedienung läuft mit Getränken in der Hand durch den Biergarten des Hofbräukellers.

Gesuchte Arbeitskraft: Eine Bedienung läuft mit Getränken in der Hand durch den Biergarten des Hofbräukellers.

(Foto: Felix Hörhager/picture alliance/dpa)

In der Stadt herrscht großer Personalmangel in der Gastronomie. Mindestens 630 offene Stellen gibt es in München - und es fehlt überall an Aushilfskräften.

Von Franz Kotteder

Über den Arbeitstag eines Wiesnwirts herrschen beim gemeinen Volk in der Regel recht fantastische Vorstellungen: Vormittags Geld zählen, mittags Hendl verspeisen und ein paar Mass Bier trinken, nachmittags Nachdenken darüber, wie man am besten den Bierpreis für die nächste Wiesn weiter nach oben schrauben kann, abends "Sweet Caroline" grölen und Party machen. So in etwa.

Die Wirklichkeit sieht ein bisschen anders aus. Christian Schottenhamel - seine Familie hat seit mehr als 150 Jahren ein großes Zelt auf der Wiesn stehen, der Oberbürgermeister zapft dort traditionell das erste Fass an - berichtet von einem seiner letzten Abende, an denen er im Einsatz war: "Der Florian stand in der Küche am Pass und hat seinen Sohn geholt, damit der aushilft, ich selbst hab' die Teller von den Tischen abgeräumt." Schottenhamel ist nämlich nicht nur Wiesnwirt, sondern betreibt mit seinem Geschäftspartner Florian Lechner auch die Großgaststätte am Nockherberg. An jenem Abend, von dem er spricht, war im Saal eine große Veranstaltung mit 1200 Gästen. "Wir hatten über eine Agentur 65 Bedienungen gebucht", erzählt Schottenhamel, "25 sind dann gekommen." In der Küche fehlt schon länger Personal, Köche könnten sich momentan aussuchen, wo sie arbeiten wollen. "Wir haben inzwischen schon die Speisekarte verkleinert", so Schottenhamel, "wenn wir die normale Karte hätten, müssten die Leute ewig auf ihr Essen warten."

Gastronomie in München: Ein Mann im Stress: Christian Schottenhamel, Wiesnwirt und hier gerade Weißwurstprüfer.

Ein Mann im Stress: Christian Schottenhamel, Wiesnwirt und hier gerade Weißwurstprüfer.

(Foto: Stephan Rumpf)

Probleme, die in der Münchner Gastronomie inzwischen alles andere als ungewöhnlich sind. Gregor Lemke, Sprecher der Innenstadtwirte und Wirt vom Augustiner Klosterwirt am Dom, berichtet davon, dass viele seiner Kollegen die Speisekarte anpassen und die Abläufe im Service optimieren müssen, um mit dem vorhandenen Personal auszukommen.

Im Fischrestaurant Atlantik an der Zenettistraße nahm man tageweise das Menü von der Karte, eigentlich ja das Aushängeschild eines Lokals, das sich an anspruchsvolle Gäste richtet. "Wir waren zeitweise zu wenig Köche", sagt Küchenchef Franz Josef Unterlechner, "da bietet man lieber weniger an, als die Leute lange warten zu lassen." Ali Güngörmüs vom Fine-Dining-Restaurant Pageou in den Fünf Höfen hat ebenfalls die Notbremse gezogen und sperrt sein Lokal derzeit nur noch abends auf. Dabei ist das Mittagsgeschäft in der City eigentlich lukrativ. "Die Personalsituation ist eine Katastrophe", sagt Güngörmüs, "ich könnte sofort drei Köche einstellen, und auch im Service brauche ich eigentlich noch zwei Leute." Der ehemalige Sternekoch hilft jetzt selber aus, wenn es brennt - mal im Service, mal in der Küche. Und derzeit biete er lieber nicht alle Tische an und mache mittags zu, sagt Güngörmüs. "Es bringt ja nichts, das Restaurant voll zu machen, wenn die Leute dann nicht die gewohnte Qualität bekommen."

Jeder siebte Mitarbeiter wechselte den Job

Personal wird immer gesucht in der Gastronomie, das war schon vor Corona so. Die Pandemie hat die Situation noch erheblich verschärft. Die Kurzarbeit hat zwar etwas geholfen, für die Servicekräfte aber waren lange Lockdowns und kurze Öffnungszeiten verheerend, denn das Trinkgeld ist für viele ein bedeutender Bestandteil des Einkommens. Da suchten sich viele in den vergangenen Jahren eine andere Arbeit mit halbwegs sicherem Verdienst und angenehmeren Arbeitszeiten - auch manche Köche.

Allein 2020, im ersten Jahr der Pandemie, wechselte nach Angaben des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga jeder siebte Mitarbeiter in der Gastronomie seinen Job. In ganz Deutschland war das ein Verlust von 400 000 Arbeitnehmern. Im April 2022 meldete die Arbeitsagentur allein in München 630 offene Stellen im Gastgewerbe, in ganz Bayern waren es 9500. Noch im Herbst 2021 hatte ein niederbayerischer Gaststättenbetrieb sogar per Stellenanzeige eine Prämie von 5000 Euro für einen Jungkoch, der bei ihm anfangen wolle, geboten. Und mit einer Startprämie für Berufseinsteiger in Küche und Service lockte auch das Luxushotel Vier Jahreszeiten an der Maximilianstraße - 1858 Euro, nach dem Gründungsjahr des Hotels übrigens.

Gastronomie in München: Die Coronakrise hat den Personalmangel in den Münchner Gaststätten dramatisch verschärft. Im Bild das Hofbräuhaus während der Pandemie.

Die Coronakrise hat den Personalmangel in den Münchner Gaststätten dramatisch verschärft. Im Bild das Hofbräuhaus während der Pandemie.

(Foto: Stephan Rumpf)

Noch sind solche Sonderzahlungen nicht die Regel. Aber Christian Schottenhamel, der auch Münchner Kreisvorsitzender der Dehoga ist, sagt: "Wenn du Koch bist, hast du heute ein starkes Pfund bei Gehaltsverhandlungen." Die Auftragsbücher der Gastronomen seien zwar voll, "weil die Menschen wieder ausgehen und feiern wollen", aber die Nachfrage lasse sich manchmal einfach nicht erfüllen: "Wir mussten schon Veranstaltungen mit 700 Gästen absagen, konnten für andere zum Teil nur ein Büffet statt der vollen Karte anbieten." Büffet ist praktisch, weil man dabei Servicekräfte spart: Die Gäste holen sich das Essen schließlich selbst.

Es mangelt an Wohnraum fürs Personal

Schottenhamels Wirtekollege Peter Reichert vom Donisl, geht einen ähnlichen Weg, wenn er demnächst das bislang noch weitgehend brachliegende Obergeschoss des Traditionswirtshauses bespielen wird: "Das wird eher wie in einer Bar sein, wo man sich die Getränke selbst am Tresen abholt", sagt er, "aber Essen wird serviert, klar." Momentan fehlten ihm vor allem Aushilfskräfte für die Stoßzeiten - klassische Studentenjobs, eigentlich, für zwei bis drei Stunden am Tag. Diese klassischen "Foodrunner", die Essen und Getränke an die Tische bringen und keine große Ausbildung brauchen, fehlen Reichert.

Diverse Boulevardmedien behaupteten schon, er setze deshalb nun auf Hightech, nämlich auf den Gastroroboter "Bella", den man im Donisl unten in der Schwemme antrifft. Reichert relativiert die Sache allerdings: "Den hat ein Spezl von mir auf Bairisch besprechen lassen und zu mir reingestellt", sagt er und lacht: "Ganz ehrlich: wenn wir viel Geschäft haben, geht er eher im Weg um." Denn von der Intelligenz her ist der Roboter ein Depp, dem man gerade noch zutrauen darf, von der Schänke zum Haupteingang zu fahren. Reichert: "Aber das kann er! Meine Kellner, die auf der Terrasse bedienen, freuen sich, weil ihnen das den langen Weg durch die ganze Wirtschaft spart."

Gastronomie in München: Im Donisl bringt ein Roboter die leeren Gläser zurück. Das bringt wenigstens ein bisschen Entlastung.

Im Donisl bringt ein Roboter die leeren Gläser zurück. Das bringt wenigstens ein bisschen Entlastung.

(Foto: Robert Haas)

Die Technik ist also auch keine große Hilfe. Vielleicht hilft tatsächlich eine bessere Bezahlung? Nicht ohne Grund konnte die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) schon im März Tariferhöhungen von bis zu 27 Prozent durchsetzen - diese gewaltige Steigerung war vor allem durch den kommenden höheren Mindestlohn bedingt. Man kann sich also schon vorstellen, wie niedrig die Löhne im Gastgewerbe normalerweise sind. Für München aber ist das gar nicht mehr so ausschlaggebend. "Wer Tarif zahlt, kommt in der Stadt sowieso nicht weit", sagt Ali Güngörmüs vom Pageou, "die Lebenshaltungskosten sind hier einfach viel zu hoch." Als Gastronom müsse man deutlich mehr bieten, nicht nur monetär: "Wir müssen unser Personal auch schützen vor Überlastung."

Mit anderen Worten: Ausbeuten und Antreiben ist nicht drin, sonst gehen die Leute. Sagt auch Dehoga-Kreisvorsitzender Schottenhamel. Er sieht einen Grund für die Misere auch in den hohen Mieten: "Es fehlt bezahlbarer Wohnraum für unsere Leute." Da hoffe man auf die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und der genossenschaftlichen Wohnungsbau. Und dann wären da noch "die vielen Menschen, die in unser Land kommen, denen müssen wir Angebote machen, müssen sie schulen". Dann könne es wieder aufwärts gehen.

Güngörmüs hat gerade einen Koch und eine Kellnerin aus der Ukraine eingestellt, auf Probe. Die Sprachbarriere ist momentan noch ein Hindernis, aber das werde sich schon überwinden lassen, meint er. Klar, die Arbeitszeiten seien auch ein Hindernis bei der Personalsuche. Aber ganz versteht er es dennoch nicht: "Gastronomie ist eigentlich so ein schöner Beruf. Ich könnte mir keinen schöneren vorstellen."

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