Süddeutsche Zeitung

Landgericht München:Prozess gegen Pegida dürfte aus Mangel an Beweisen scheitern

Eine Frau hat geklagt, weil sie in einem Video, das bei einer Veranstaltung des fremdenfeindlichen Vereins entstand, verunglimpft wird. Wer dafür verantwortlich ist, lässt sich kaum klären.

Von Stephan Handel

Den Richtigen zu verklagen - das ist eine der wichtigsten Übungen für Rechtsanwälte in Zivilverfahren, denn wenn der, der später im Gerichtssaal auf der Beklagten-Seite sitzt, gar nicht verantwortlich ist für das, was ihm vorgeworfen wird, dann ist der Prozess ziemlich schnell vorbei. Diese Erfahrung machte am Mittwoch eine Frau aus München, die sich mit dem fremdenfeindlichen Verein Pegida angelegt hatte.

Es geht um ein Video, das während einer Pegida-Veranstaltung im März 2016 auf dem Marienplatz entstanden ist. Darauf ist zu sehen, wie die Klägerin hinter einen Lieferwagen der Veranstalter geht. Was sie dort tut, ist nicht zu erkennen. Als sie wieder auftaucht, stolpert sie und fällt zu Boden. Irgendjemand fand das wohl lustig, und um die Lustigkeit noch zu erhöhen, versah er das Video mit einer hämischen Überschrift in unpatriotisch schlechtem Deutsch: "Aktivisten Oma mit Enkel will Pegida Tonanlage beschädigen und fällt auf die Nase." Im Video selbst wird mehrfach mit Pfeilen auf die Frau hingewiesen, außerdem wird sie als "Täterin" bezeichnet. Das Video wurde bei Youtube hochgeladen, auf einem Channel, der die Bezeichnung "Pegida München" trägt.

Diese Verunglimpfung wollte sich die Frau nicht gefallen lassen: Pegida solle es unterlassen, sie als "Aktivisten Oma" und als "Täterin" zu bezeichnen, überhaupt solle das ganze Video nicht mehr zum öffentlichen Abruf bereitgestellt werden. Aber bevor Petra Gröncke-Müller, die Vorsitzende Richterin der 25. Zivilkammer am Landgericht München I, überhaupt dazu kam, die inkriminierten Äußerungen zu diskutieren und juristisch zu bewerten, war die Sache quasi schon wieder vorbei. Pegida nämlich, bei der Verhandlung anwesend in Person ihres Anführers Heinz Meyer, verteidigte sich mit der einfachsten aller Entschuldigungen: Ich war's nicht.

Der Pegida-Vorstand bestreitet, dass er - oder jemand in seinem Auftrag - das Video angefertigt hat, und der Youtube-Channel heiße zwar so wie der Verein, habe mit ihm aber nichts zu tun und werde vor allem nicht von ihm betrieben und bestückt. Das Gegenteil zu beweisen, das wäre Aufgabe der Klägerin beziehungsweise ihres Anwalts - aber das ist praktisch unmöglich: Es gibt auf Youtube keine Impressums-Pflicht, keine Klarnamen, keinen presserechtlich Verantwortlichen. Richterin Gröncke-Müller sagte zwar, es spreche alles dafür, dass der Produzent des Videos "sich Pegida verbunden fühlt". Aber das bedeute nicht, dass die rechtliche Verantwortung auch beim Verein liege. "Es reicht einfach nicht", sagte die Richterin.

Oliver Schwend, der Anwalt der Klägerin, versuchte zu retten, was zu retten ist, und verwies darauf, dass es vielleicht gerade die Strategie von Pegida sei, zahlreiche Youtube-Kanäle zu eröffnen und im Dunkeln zu lassen, von wem sie jeweils bestückt werden. Damit konnte er das Gericht jedoch auch nicht überzeugen. Am einfachsten wäre es nun gewesen, die Klage zurückzunehmen - dazu hätte Schwend aber die Einwilligung seiner Mandantin gebraucht, die nicht zur Verhandlung gekommen war. Weil es ihm nicht gelang, sie zu erreichen, wird es nun in der kommenden Woche ein Urteil geben. Richterin Gröncke-Müller dazu: "Wir können uns vorstellen, dass Ihre Mandantin nicht erbaut ist. Aber hilft ja nix."

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SZ vom 16.07.2020
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